Assoziation
Mehr Feinstaub - mehr Lungenkrebs
Bestimmte Konzentrationen an Feinstaub sind mit einem erhöhten Risiko für Adenokarzinome der Lunge assoziiert.
Veröffentlicht:KOPENHAGEN. Die Assoziation zwischen Feinstaub und Adenokarzinomen der Lunge lässt sich aus einer Metaanalyse von 17 Studien in neun europäischen Ländern vermuten. Ein Zusammenhang mit Stickoxiden wurde nicht beobachtet.
Insgesamt nahmen an den Studien fast 313.000 Menschen teil, die in zwölf unterschiedlich dicht besiedelten Regionen Europas wohnen, etwa in Oslo, London, Rom, aber auch in Umeå in Schweden und in der Region Vorarlberg, wo Teilnehmer der von der Universität Ulm betreuten Kohorte leben. Teilnehmer aus Deutschland waren nicht dabei.
Für die Studie ESCAPE (European Study of Cohorts for Air Pollution Effects) im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm wurden unter anderem die Konzentrationen von lungengängigen PM10 und inhalierbaren, also tief in die Lunge gelangenden PM2,5 zu verschiedenen Jahreszeiten zwischen Oktober 2008 und April 2011 gemessen (Lancet Oncology 2013; online 10. Juli).
Damit liegt der Wert für den statistischen Parameter "Personenjahre unter Risiko" bei mehr als vier Millionen.
Insgesamt 2095 Studienteilnehmer erkrankten im mittleren Studienzeitraum von knapp 13 Jahren an einem Primärtumor der Bronchien oder der Lunge. Metastasen und Lymphome blieben unberücksichtigt.
Von Beginn an wurden Krebserkrankungen registriert. Teilnehmer, die vor Aufnahme in die Studien bereits an Krebs (außer an Nicht-Melanom-Hautkrebs) erkrankt waren, wurden in der Analyse weggelassen.
Die Quelle für Feinstaub waren Straßen- und Flugverkehr, Industrieanlagen und häusliche Heizanlagen. Insgesamt drei Modellrechnungen wurden vorgenommen, in denen die 15 verfügbaren Parameter unterschiedlich berücksichtigt wurden.
Beim Modell 3, auf das sich die Wissenschaftler bei ihrer Analyse fokussierten, waren es alle Parameter, auch Rauchen, berufliche Exposition, Familienstand und sozioökonomischer Status.
Unberücksichtigt geblieben seien allerdings Informationen über mögliche Lungenerkrankungen vor Aufnahme in die jeweiligen Studien der Metaanalyse, so die Wissenschaftler.
Die Auswertung aller Studien ergab eine Hazard Ratio (HR) für PM10 pro im Mittel 10 Mikrogramm/m3 von 1,22 (95 Prozent-Konfidenzintervall zwischen 1,03 und 1,45). Das entspricht einer Steigerung des relativen Risikos für Lungenkrebs, im Wesentlichen Adenokarzinome, um 22 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Feinstaubbelastung.
Die HR für die kleineren PM2,5-Feinstaubteilchen pro im Mittel 5 Mikrogramm/m3 betrug 1,18 (95 Prozent-Konfidenzintervall zwischen 0,96 und 1,46).
Beide Werte sind damit niedriger als die etwa einer deutschen Studie aus dem vergangenen Jahr, die eine PM10-HR von 1,84 (95 Prozent-Konfidenzintervall zwischen 1,23 und 2,74) pro 7 Mikrogramm/m3 ergeben hatte (Occup Environ Med 2013; 70: 179).
Die HR für PM2,5 war nicht ermittelt worden. Zum Vergleich: Das relative Risiko für Lungenkrebs im Zusammenhang mit Rauchen beträgt bei einem Mann 23,3 und bei einer Frau 12,7.
Nach der aktuellen Metaanalyse ist das Lungenkrebsrisiko also bereits erhöht, wenn die Feinstaubwerte noch unter den von der Europäischen Union festgelegten Höchstwerten für das Jahresmittel liegen (PM10: 40 Mikrogramm/m3; PM2,5: 25 Mikrogramm/m3), wie es in einem Kommentar von Dr. Takashi Yorifuji und Dr. Saori Kashima von der Uni in Hiroshima heißt.
Die Assoziation blieb auch bestehen, wenn die beiden Studien mit der höchsten Krebsinzidenz außen vor gelassen wurden. Keine Assoziation wurde zwischen Krebserkrankung und Stickoxidkonzentrationen oder Verkehrsdichte im Umkreis von 100 m am Wohnort festgestellt.
Für Yorifuji und Kashima ist die Metaanalyse ein weiterer Grund, Luftverschmutzung - auch wenn sie inzwischen in einigen Städten weniger ausgeprägt ist als früher - als Auslöser von Lungenkrebs zu begreifen, der wie Rauchen vermeidbar sei.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Feinstaub macht dicke Luft