BÄK
Weniger Behandlungsfehler festgestellt
Die von den Ärztekammern erfassten Behandlungsfehler sind leicht rückläufig. Betroffen sind Bruchteile von Promille aller Behandlungen in Praxen und Kliniken.
Veröffentlicht:BERLIN. Das von der Bundesärztekammer (BÄK) festgestellte, ohnehin geringe Risiko, durch einen Behandlungsfehler beim Arzt oder im Krankenhaus einen Schaden zu erleiden oder gar zu sterben, ist im vergangenen Jahr gesunken.
2016 waren von 1845 durch die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern festgestellten Behandlungsfehler 96 tödlich ausgegangen. 2017 sind bei 1783 nachgewiesenen Behandlungsfehlern 62 Todesopfer zu beklagen. In absoluten Zahlen rückläufig sind auch die Werte für schwere Dauerschäden (159/2016: 166)
Insgesamt haben die Kommissionen und Schlichtungsstellen im vergangenen Jahr 7307 Entscheidungen getroffen.
Einen Behandlungsfehler konstatierten sie in mehr als jedem vierten Fall, nämlich 2213 mal, berichtete Kerstin Kols, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen der norddeutschen Ärztekammern (plus Saarland), bei der Vorstellung der Statistik am Mittwoch in Berlin.
In 430 Fällen lag zwar ein Behandlungsfehler oder eine mangelnde Risikoaufklärung vor. Ein kausaler Zusammenhang mit einem Gesundheitsschaden habe sich aber nicht nachweisen lassen, so Kols.
Mehr Behandlungsfehler in Kliniken
Knapp ein Viertel der von der BÄK festgestellten Behandlungsfehler geht zu Lasten der niedergelassenen Ärzte (siehe nachfolgende Grafik).
Am häufigsten betroffenes Krankheitsbild war Brustkrebs mit 23 Fehlern und/oder mangelnder Risikoaufklärung, gefolgt vom Karpaltunnelsyndrom mit 15.
Bei den Fehlerarten in der Vertragsarztpraxis und in Medizinischen Versorgungszentren fällt die Diagnostik auf. 216 Fehler gehen auf das Konto von Labor, Anamnese und bildgebende Verfahren. 47mal lagen die Ärzte bei der Indikation falsch.
Diagnostik-Fehler sind mit 582 auch im Krankenhaus eine große Position. Danach folgen mit 556 die Operationsfehler. 148mal wurde die Indikation falsch gestellt.
Beim Blick auf die Statistik der Begutachtungsanträge zeigt sich, dass Tätigkeiten aus der Unfallchirurgie und Orthopädie besonders häufig betroffen sind (siehe nachfolgende Grafik).
Kein Grund für Panikmache
Bei rund einer Milliarde Arzt-Patientenkontakten in den Praxen niedergelassener Ärzte und 19,5 Millionen Behandlungen in den Krankenhäusern ist die Zahl der bei den Kommissionen und Schlichtungsstellen eingereichten Begutachtungsanträge mit 11.100 verschwindend gering.
Gleichwohl nehmen die Ärzte auch das sich in Bruchteilen von Promille bewegende Fehlergeschehen ernst.
"Hinter jeder Komplikation können schwere menschliche Schicksale stehen", sagte der Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, Dr. Andreas Crusius.
Für Panikmache und Pfuschvorwürfe gebe es jedoch keinen Grund. Beides schade der mittlerweile gut etablierten Fehlerkultur.
Den Ärzten ist zudem bewusst, dass die Zahl der Behandlungsfehler höher liegen dürfte als von den Kammern erfasst.
Viele Verfahren landen direkt vor Gericht oder bei den Berufshaftpflichtversicherern, ohne gezählt werden zu können. Insgesamt könnten es bis zu 40.000 sein, schätzte Crusius, Doppelzählungen eingeschlossen.
Zentralregister gefordert
Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte am Mittwoch ein Zentralregister für Behandlungs- und Pflegefehler. Zudem solle die Beweislast zugunsten der Opfer umgedreht werden.
Die Beweislastumkehr forderten auch die gesundheitspolitischen Sprecher der Grünen und der Linken, Maria Klein-Schmeink und Harald Weinberg.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sind Behandlungsfehler ebenfalls Thema. Dort heißt es, man wolle die Einführung eines Härtefallfonds prüfen.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Fehlerkultur auf gutem Weg