Kinderwunsch

Fachmesse treibt Frauenärzte auf die Barrikaden

Frauenärzte sind skeptisch, ob bei der in Berlin anstehenden Kinderwunsch-Messe die Gesundheit der behandelten Paare an oberster Stelle steht. Der Veranstalter kontert. Die Verwaltung muss die Messe tolerieren.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Für eine spätere künstliche Befruchtung werden Eizellen kryokonserviert.

Für eine spätere künstliche Befruchtung werden Eizellen kryokonserviert.

© Science Photo Library / Ag.Focus

BERLIN. Die Eizellspende ist in Deutschland ebenso wie die Leihmutterschaft als Methode im Zuge einer Kinderwunschbehandlung verboten. Nun rufen die für den 18. und 19. Februar in Berlin terminierten „Kinderwunsch-Tage“ den Berufsverband der Frauenärzte (BVF) auf den Plan.

Der BVF-Landesverband Berlin teilt mit, dass er die Publikumsmesse „ausdrücklich nicht unterstützt“. Auch die Berliner Gesundheitsverwaltung sieht die Messe kritisch. „Die einzige Veranstaltung ihrer Art in Deutschland, bei der Sie Rat von Experten, Unterstützung, Produkte und zuverlässige Informationen zur Vergrößerung ihrer Familie erhalten – alles unter einem Dach“ – mit dieser Ankündigung bewirbt der in Großbritannien beheimatete Veranstalter F2F Events Germany die „Kinderwunsch-Tage“.

Die Berliner Frauenärzte konzedieren dem Veranstalter zwar, dass es bei der Messe um medizinische Methoden für Interessentinnen und Interessenten mit Kinderwunsch gehe, wozu alle Maßnahmen der Kinderwunschbehandlung und der künstlichen Befruchtung bis hin zu sehr aufwändigen und kostspieligen Methoden hoch spezialisierter Labore gehörten. Veranstalter: Infos stehen im Fokus Doch sie hegen Bedenken. Denn „Aussteller sind nicht nur Behandlungszentren und Labore aus dem Inland, sondern auch aus dem Ausland, also aus Großbritannien und den USA, Spanien, der Türkei und Osteuropa. In vielen dieser Länder sind Maßnahmen der Kinderwunschbehandlung gestattet, die in Deutschland verboten sind, wie Eizellspende, Leihmutterschaft und Maßnahmen der Diagnostik am noch nicht implantierten Embryo, die in Deutschland nur sehr seltenen Fällen vorbehalten sind (PID)“, so der Berliner BVF.

Der Veranstalter versichere, dass es sich um eine Messe mit rein informativem Charakter handle, betonen die Frauenärzte. Und schieben mit skeptischer Attitüde nach: „Das ist zu bezweifeln. Denn es ist anzunehmen, dass die ausstellenden Labore und Kinderwunschzentren nicht allein auf der Messe präsent sind, um Interessierte zu informieren, sondern um im direkten Kontakt Kunden für ihre Behandlungszentren zu gewinnen“, heißt es von BVF-Seite.

 Aus Sicht des Berufsverbandes sei nicht zuverlässig sichergestellt, dass „bei allen Ausstellern die Gesundheit der behandelten Paare immer an oberster Stelle steht und Vorrang vor finanziellen Erwägungen hat, bzw. dass Paaren keine unhaltbaren Versprechen gemacht und unsinnige finanzielle Belastungen vermieden werden.“ Zudem fürchtet der BVF, dass „nicht in jedem Fall feststellbar“ sei, „ob die Qualitätsstandards der auf der Messe ausstellenden Zentren und Institutionen mit den vorgegebenen hohen Standards in Deutschland vergleichbar“ seien.

Die Berliner Gesundheitsverwaltung sieht es nicht gerne, wie deren Sprecher Christoph Lang im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ betont, wenn in Berlin über reproduktionsmedizinische Verfahrensoptionen informiert wird, die hierzulande verboten sind. „Die Information über die in Deutschland untersagten Methoden ist aber nicht verboten. Deshalb gibt es für uns auch keine rechtliche Handhabe, die Veranstaltung zu verbieten“, so Lang.

Er versicherte, dass Experten des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales die Messe besuchen werden. „Sollte etwas zu beanstanden sein, werden die zuständigen Behörden eingeschaltet“, ergänzt Lang. Verhaltenskodex für Aussteller Auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ nahm David McAllister, Director F2F Events, Stellung zu den Befürchtungen der Frauenärzte. „Die anwesenden Aussteller sind dazu eingeladen, über ihr Angebot zu informieren und die Fragen der Besucher zu beantworten.

 Im Vorfeld haben sich die Aussteller mit einem Verhaltenskodex verpflichtet, keinerlei werbliche Handlungen durchzuführen, Erfolgszahlen oder Preise zu nennen“, so McAllister, bei dem es sich nicht um den namensgleichen niedersächsischen CDU-Landeschef handelt. Er geht darüber hinaus hart ins Gericht mit ungenannten Dritten, die in Zeitungsartikeln die Messe in ein schlechtes Licht stellten. Diese Beiträge entbehrten jeder Evidenz, so McAllister.

Ohne den Berliner BVF wörtlich zu nennen, verweist er darauf, dass alle Parteien, die nun Vorwürfe erhöben, im Vorfeld der Veranstaltung zur Zusammenarbeit eingeladen worden seien – das wiederum bestreitet der BVF auch nicht. „Die Parteien lehnten eine Messebeteiligung ab und verweigerten sich, so dass deutsche Patienten keine Antworten darauf finden, wie sie Eltern werden können“, so McAllister. Wie der Messemanager weiter betont, schienen sie keineswegs bereit, die Problemlage aus der Patientenperspektive verstehen zu wollen.

„Die Veranstaltung findet gerade wegen der Presseberichte statt, die es deutschen Patienten unmöglich machen, unvoreingenommene Sichtweisen zu finden und Zugang zu Informationen zu allen verfügbaren Behandlungsoptionen zu bekommen“, so McAllister. Laut dem Deutschen IvF-Register wurden bis 2014 in Deutschland nach dem Einsatz von IVF und ICSI insgesamt 225 625 Kinder geboren, weltweit seien es mehr als fünf Millionen gewesen. Jedes sechste bis siebte Paar habe Schwierigkeiten, ohne ärztliche Unterstützung schwanger zu werden. Im Jahr 2014 seien 52 988 Frauen behandelt und 1,66 Zyklen pro Frau durchgeführt worden.

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