Neigungsorientiertes Medizinstudium

Jenos-Modell: Unimedizin Jena zieht positive Zwischenbilanz

In Jena hat erstmals ein Jahrgang das reformierte Curriculum des neigungsorientierten Medizinstudiums Jenos komplett durchlaufen. Die angehenden Ärzte sollen im Studium gezielt auf den Versorgungsalltag vorbereitet werden.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die Zeit läuft: Eine Medizinstudentin in Jena untersucht eine Schauspielpatientin, die an einer Prüfungsstation einen Notfall darstellt.

Die Zeit läuft: Eine Medizinstudentin in Jena untersucht eine Schauspielpatientin, die an einer Prüfungsstation einen Notfall darstellt.

© von der Gönna/ UKJ

JENA. Konzentrierte Stille auf dem Gang im Skillslab, beim Klingeln heben zwölf Prüflinge die Abdeckung von der Aufgabenstellung und lesen sie, schon eine Minute später klingelt es wieder und für die Jenaer Medizinstudenten beginnt die eigentliche Prüfungszeit. In diesen fünf Minuten müssen sie eine Röntgenaufnahme beurteilen, das Knie eines Schauspielpatienten untersuchen, ein schwieriges Patientengespräch führen oder chirurgisches Nähen durchführen. Nach einem kurzen Feedback vom Prüfer klingelt es wieder und weiter geht es zur nächsten Station, insgesamt zwölf muss jeder Student absolvieren.

Vor Kurzem hat erstmals ein Jahrgang das reformierte Curriculum des neigungsorientierten Studiums Jenos komplett durchlaufen, wie das Universitätsklinikum Jena (UKJ) informiert. Mit einem umfangreichen praktischen Prüfungsparcours am Ende dieses Sommersemesters schlossen die Jenaer Medizinstudierenden demnach die als Wahlfach eingeführten Neigungslinien ab. Insgesamt 175 Studierende der ambulant- und der klinik-orientierten Linie absolvierten je zwölf Prüfungsstationen – alle mit Erfolg.

Ausbildung stellt Weichen für Zukunft

Die Jenaer Fakultät hat mit ihrer Ausbildungsreform "Jenos" vor gut einem Jahr das sogenannte neigungsorientierte Studium eingeführt, das schon während der Ausbildung die Weichen für die spätere Tätigkeit der angehenden Ärzte stellt – zumindest fachlicher Art. Die Studierenden können sich für eine von drei Richtungen entscheiden: die ambulant orientierte Medizin, die klinisch orientierte Medizin und die forschungsorientierte Medizin.

"Wir hatten 17 Stationen mit 52 Fallvarianten vorbereitet, an den sechs Tagen nahmen wir 2100 Einzelprüfungen ab", nennt Urte Mille die Eckzahlen des Mammutprojektes. Die Leiterin des SkillsLabs im Universitätsklinikum Jena, in dem die Studenten ärztliche Fertigkeiten erlernen und trainieren können, konzipierte zusammen mit den Oberärztinnen Dr. Katrin Gugel und Dr. Ines Koch den Prüfungsparcours.

Die 175 Medizinstudenten, die sich in ihrem neigungsorientierten Wahlfach für die ambulant-orientierte und für die klinik-orientierte Linie entschieden hatten, schlossen damit das Wahlfach ab. Die Studenten der forschung-orientierten Linie präsentierten ihre Projektarbeit.

Grundlegende Fertigkeiten gefragt

"In dieser praktischen Prüfung fragten wir gezielt das ärztliche Können ab, das den Studierenden in den Pflichtveranstaltungen vermittelt wurde und das sie in den Linien vertiefen konnten", verdeutlicht Professor Orlando Guntinas-Lichius, Studiendekan an der Medizinischen Fakultät. Zu den Prüfungsthemen zählten grundlegende Fertigkeiten wie das Anlegen eines Venenzugangs oder die Händedesinfektion.

Die Prüflinge sollten allgemeine und spezielle körperliche Untersuchungstechniken demonstrieren, wie beispielsweise die Leber abtasten, oder einfache Therapiemaßnahmen durchführen. Besondere Praxisnähe erhielten die Prüfungsstationen laut Uniklinikum, weil die Studierenden ihr Können anhand konkreter Patientenfälle unter Beweis stellen mussten, die speziell auf die Linien zugeschnitten waren.

So sollten an der Neurologie-Station die Studierenden mit Klinik-Schwerpunkt in der Notaufnahme einen Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall untersuchen, für die Studenten der ambulanten Linie stellte ein Schauspieler einen Parkinson-Patienten dar. "Eingebettet in typische Situationen der ambulanten oder stationären Krankenversorgung prüfen wir Kenntnisse und Fertigkeiten, die jeder Arzt haben muss", erläutert Notfallmedizinerin Gugel.

Immenser Aufwand vor der Prüfung

Der Aufwand für Vorbereitung und Durchführung der Prüfung war nach Angaben der Universität immens. Insgesamt 16 Einrichtungen des UKJ seien an Auswahl und Konzeption der Prüfungsfälle beteiligt gewesen, für die 48 Prüfer habe es spezielle Schulungen im Vorfeld gegeben, ebenso für die 13 Schauspielpatienten.

Das SkillsLab habe den Medizinstudenten freie Trainingszeiten zur gezielten Vorbereitung angeboten. Bei der unmittelbaren Vorbereitung und an den Prüfungstagen selbst waren laut UKJ 16 Helfer im Einsatz, um Prüfungsbogen auszudrucken, Verbrauchsmaterial zusammen- und bereitzustellen, die Prüflinge einzuweisen und mit der Klingel den Zeittakt anzugeben. "Wir bedanken uns für das enorme Engagement aller Beteiligten bei dieser Prüfungspremiere", so Guntinas-Lichius.

Und die Hauptakteure? Alle Prüflinge haben bestanden, im Durchschnitt mit einer glatten Zwei. In der Evaluation unmittelbar nach der Prüfung lobten sie, wie das UKJ betont, das Feedback, das sie an jeder Station erhielten.

Vom realitätsnahen straffen Zeitplan seien die Medizinstudenten indes weniger begeistert gewesen, auch wünschten sie sich mehr vorbereitende Kurse. Insgesamt halten die Studierenden demnach einen solchen praktischen Parcours für ein geeignetes Format, um das im Wahlfach Gelernte zu überprüfen und um zu testen, wie fit sie für das letzte Studienjahr, das Praktische Jahr, sind.

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