Deutscher Schmerz- und Palliativtag
Schmerzmedizin 4.0
Digitalisierung ist weit mehr als bloße Datenerfassung - vielmehr ein Instrument, um der Unterversorgung von Schmerzpatienten zu begegnen. Das macht das "PraxisRegister Schmerz" deutlich.
Veröffentlicht:FRANKFURT / MAIN. Die Versorgung von Schmerzpatienten ist in Deutschland immer noch unzureichend, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS). Der hohen Zahl von Schmerzpatienten stünden nur etwas mehr als 1000 spezielle Schmerzmediziner gegenüber.
"In Deutschland gibt es rund 23 Millionen Schmerzpatienten, die nicht adäquat behandelt werden", sagte Dr. Gerhard Müller-Schwefe, bis vor kurzem Präsident der DGS, beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt. Dadurch ergebe sich eine grotesk unzureichende Versorgungslage, die sich in einer alternden Gesellschaft künftig noch verstärken werde.
"Wie soll die Lösung dieses Problems aussehen?" fragte Müller-Schwefe.
Zwei Konzepte
Zwei Ansatzpunkte sieht die DGS: Zum einen müssten mehr Nachwuchsmediziner für die Schmerzmedizin gewonnen werden – "durch eine bessere Arbeits- und Vergütungsstruktur", so Dr. Oliver Emrich, bis vor kurzem DGS-Vizepräsident. Einen entscheidenden Beitrag könnte die finanzielle Unterstützung der Weiterbildungsassistenten entsprechend der Förderung für Allgemeinmedizin leisten.
"Explizit nicht gefördert wird hier die Schmerzmedizin – und das bei einem eklatanten Mangel", so Emrich. Die Zukunft der Schmerzmedizin liege aber nicht nur in einer besseren Ausbildung und damit einer gesicherten Versorgung in der Breite, sondern auch in der Digitalisierung.
Dass Digitalisierung dabei weit mehr als bloße Datenerfassung bedeutet, verdeutlichte DGS-Vizepräsident Privatdozent Dr. Michael Überall am Beispiel des "DGS-PraxisRegister Schmerz". In dem anonymisierten Register sind bislang rund 190.000 Behandlungsfälle dokumentiert und evaluiert. Pro Arbeitstag werden Überalls Angaben zufolge 160 neue Fälle validiert.
Elektronische Schmerzbewertung
Im Dezember 2017 nutzten rund 3500 Betroffene das Dokumentationstool "iDocLive®", um ihre Schmerzen zu bewerten. "Damit können wir eine effiziente Versorgungsforschung betreiben", betonte Überall. An dem Projekt sind deutschlandweit insgesamt 129 iDoc-Live®-Zentren mit 372 Schmerztherapeuten und 403 sonstigen Therapeuten beteiligt.
Die Zukunft des Dokumentationstools sieht Überall dabei in drei Schritten: Von der jetzigen Stufe eines Therapiebegleiters könne sich das iDoc-Life®-System hin zur Therapieunterstützung entwickeln und schließlich als Assistenzsystem Aufgaben eines Schmerzmediziners übernehmen. "Damit sind wir bei der Schmerztherapie 4.0 angekommen."
Universell nutzbare elektronische Dokumentationsplattformen erleichterten die Kommunikation, informierten und versetzten alle an der Versorgung Beteiligten – auch Patienten – auf den gleichen Kenntnisstand. "Digitalisierung bedeutet Waffengleichheit", fügte Müller-Schwefe hinzu. "Der Arzt steht nicht mehr allein an der Spitze der Versorgung."