PKV: Entlasten Tarife zur Beitragsentlastung wirklich?

PKV-Unternehmen bieten ihren Kunden Komponenten zur Beitragsentlastung an: Die laufenden Prämienzahlungen werden erhöht, dafür werden die Beiträge im Alter deutlich gesenkt. Verbraucherschützer sind skeptisch gegenüber solchen Vertragsmodellen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Projektion: Kann morgen sparen, wer heute mehr zahlt?

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KÖLN. Angesichts der regelmäßigen Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung (PKV) fürchten viele Ärzte, dass der Versicherungsschutz im Alter zu einer schwer kalkulierbaren Belastung werden könnte.

PKV-Unternehmen bieten Kunden deshalb sogenannte Beitragsentlastungskomponenten an: Gegen einen Zuschlag auf die laufenden Prämienzahlungen können sie die Beiträge im Alter deutlich senken.

Seit Inkrafttreten des Bürgerentlastungsgesetzes zum 1. Januar 2010 sind solche Angebote attraktiver geworden, denn die Beiträge sind steuerlich absetzbar.

Ärzte sind interessiert an den neuen Tarifen

"Der Versicherte kann die Beitragsentlastungskomponente bis zu 80 Prozent steuerlich geltend machen. Das ist ein großer Vorteil", sagt Clemens Keller, Leiter Krankenversicherung beim Finanzvertrieb MLP.

Darüber hinaus unterliegt die mit den Beitragszahlungen vereinbarte Leistung - die Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge - anders als andere Kapitalerträge nicht der Abgeltungssteuer.

Die steuerliche Förderung habe das Interesse an den Angeboten im vergangenen Jahr erhöht, berichtet Keller. "Gerade bei Ärzten verspüren wir eine große Nachfrage."

Er nennt ein Beispiel: Ein 45-jähriger niedergelassener Allgemeinmediziner bezahlt für seine Vollversicherung 360 Euro im Monat. Er wählt eine Beitragsentlastungskomponente von 100 Prozent. Das bedeutet: Ab dem Alter von 65 Jahren zahlt er dann nur noch die Zusatzkomponente.

Sie kostet ihn heute 133 Euro brutto, was wegen der Steuerentlastung netto 89 Euro im Monat entspricht. Bis zum vereinbarten Zeitpunkt - hier 65 Jahre - wird der Preis für die Entlastungskomponente an die Beitragssteigerung des Vollversicherungsschutzes angepasst.

"Viele Ärzte entscheiden sich für die maximale Entlastungskomponente, weil sie dann die größte Planungssicherheit haben", sagt der MLP-Experte.

Bei der Deutschen Krankenversicherung (DKV) war das Interesse an den Beitragsentlastungskomponenten bislang eher gering, sagt Benno Schmeing, verantwortlich für das Produktmanagement.

"Das Interesse nimmt aber zu." Viele Versicherte wüssten, dass sie zusätzlich zu den in der PKV greifenden Instrumenten selbst noch etwas gegen höhere Beiträge aufgrund von medizinischer Inflation und steigenden Behandlungskosten tun müssten.

Die Beitragsentlastungskomponente steht in Konkurrenz zu anderen Anlageformen, mit denen Versicherte für das Alter ansparen, weiß Schmeing. Dabei brauche die PKV den Vergleich aber nicht zu scheuen.

"In der Krankenversicherung kalkulieren wir mit einer Verzinsung von 3,5 Prozent", sagt Schmeing. Die Branche habe gezeigt, dass sie mit einer konservativen Anlagepolitik auch Durststrecken gut aushalten könne.

Eine Alternative könnte eine gute Kapitalanlage sein

Bei der DKV können Versicherte den Beitrag in Stufen von 50 Euro entlasten. Pro 50 Euro kostet das den 40-jährigen Mann 14,32 Euro monatlich, bei der gleichaltrigen Frau werden 15,42 Euro fällig.

Im Alter von 50 Jahren kostet jeder 50 Euro-Schritt 22,80 Euro beziehungsweise 24,38 Euro monatlich. "Bei der Beitragsentlastung ist es wie bei der Pflege: Je früher man anfängt, desto besser", sagt Schmeing.

Trotz der steuerlichen Absetzbarkeit sehen Verbraucherschützer die Beitragsentlastungs-Tarife skeptisch. Wenn der Arbeitgeber sich nicht an den Kosten beteiligt, macht das Angebot keinen Sinn, meint Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten.

Zwar sei es richtig, dass Privatversicherte ansparen, um im Alter den Krankenversicherungsschutz noch bezahlen zu können. Die Frage sei jedoch, ob die Krankenversicherer dafür die richtige Adresse sind.

"Dafür sollte man sich besser auf dem Kapitalmarkt nach einer relativ sicheren Anlage umschauen", empfiehlt er. Schließlich wisse niemand, was dem Gesetzgeber mit Blick auf die PKV noch einfällt und was dann mit den eingezahlten Beiträgen passiert.

Außerdem sei es vielen PKV-Kunden kaum noch vermittelbar, dass sie Extra-Zahlungen fürs Alter leisten sollen - über das hinaus, was ohnehin schon in die Prämien einkalkuliert ist. "Die Beitragsentlastungskomponente ist letztlich das Eingeständnis der PKV, dass sie die Beiträge nicht stabil halten kann", sagt Rudnik.

Auch Michael Wortberg, Referent für Versicherungsfragen bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, warnt Privatversicherte davor, Tarife mit Beitragsentlastungskomponente zu kaufen.

"Andere Versicherungsprodukte waren in der Vergangenheit nicht sehr renditestark, und es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die Beitragsentlastungskomponenten es sind."

Er empfiehlt Verbrauchern, sich ein individuell passendes Anlageprodukt zu suchen und die Erträge wenn notwendig im Alter für die Krankenversicherungsbeiträge zu nutzen.

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