Schweiz

Viele Ärzte aus Deutschland

Fast ein Drittel aller in der Schweiz berufstätigen Ärzte stammte 2015 aus dem Ausland. Der Löwenanteil kam dabei aus Deutschland. Der Bedarf der Eidgenossen ist aber bei Weitem noch nicht gedeckt, sie suchen weiter händeringend nach Ärzten, die in der Alpenrepublik medizinisch tätig werden wollen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
31,5 Prozent der in der Schweiz berufstätigen Ärzte stammten 2015 aus dem Ausland oder waren Inhaber eines ausländischen Studienabschlusses der Humanmedizin.

31,5 Prozent der in der Schweiz berufstätigen Ärzte stammten 2015 aus dem Ausland oder waren Inhaber eines ausländischen Studienabschlusses der Humanmedizin.

© niyazz / fotolia.com

BERN. Die Schweiz zieht weiter wie ein Magnet Ärzte aus dem Ausland an. Laut der Ärztestatistik 2015 des Schweizer Berufsverbandes der Ärzte FMH stammten zum Stichtag 31. Dezember 11.138 der bei den Eidgenossen berufstätigen Ärzte aus dem Ausland oder waren Inhaber eines ausländischen Studienabschlusses der Humanmedizin.

Das entsprach einem Anteil an allen in der Schweiz berufstätigen Ärzten von insgesamt 31,5 Prozent - eine Steigerung gegenüber Vorjahr um genau einen Prozentpunkt. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 35.325 Ärzte in der Schweiz berufstätig - 977 mehr als im Vorjahr.

Der Löwenanteil der ausländischen Ärzte entfiel 2015 mit 17,7 Prozent auf Mediziner aus Deutschland - 2014 betrug der Wert noch 17,4 Prozent -, weit abgeschlagen gefolgt von Italien (2,6 Prozent), Österreich (1,9 Prozent) und Frankreich (1,8 Prozent).

Gesundheitssystem abhängig von ausländischen Ärzten?

Wie die Ärztestatistik weiter offenbart, betrug der Anteil der Ärzte aus dem Ausland im ambulanten Sektor 25,9 Prozent und im stationären 37,5 Prozent. Was die Geschlechterverteilung anbelangt, so belief sich der Frauenanteil an den ausländischen Ärzten im ambulanten Sektor auf 42,4 Prozent und im stationären Sektor auf 46,2 Prozent.

Wie der FMH weiter hinweist, verbringen viele Ärzte, die aus dem Ausland zuziehen, einen Teil ihrer medizinischen Ausbildung in der Schweiz. So seien vergangenes Jahr von den insgesamt 1743 Verleihungen für Facharzttitel 41,0 Prozent an Ärzte mit einem ausländischen Arztdiplom gegangen.

Der eidgenössische Berufsverband sieht die Entwicklung aber nicht durch die rosa Brille. Da der Anteil ausländischer Ärzte 2015 weiter angestiegen ist, "stellt sich die Frage, ob das Funktionieren des Gesundheitssystems abhängig ist von den ausländischen Arbeitskräften", wie es in den Ausführungen des FMH zur jüngsten Ärztestatistik heißt.

Warnung vor Fachkräftemangel

Dass die Bedeutung der Ärzte aus dem Ausland für die Eidgenossen künftig noch zunehmen könnte - und damit die Nachfrage nach ihnen weiter steigen wird - prognostiziert auch das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan), das Bund, Kantone und weitere Institutionen im Gesundheitswesen bei ihrer Planung, Entscheidungsfindung und in ihrem Handeln unterstützt.

In der Berufsfachgruppe der Ärzte "gibt es demnach Hinweise auf einen Fachkräftemangel", wie es in seinem in diesem Jahr veröffentlichten Dossier Nr. 53 mit dem Titel "Analyse der Strukturerhebung und Berechnung von Knappheitsindikatoren zum Gesundheitspersonal" heißt.

Wie die auf den Daten für 2013 basierende Strukturanalyse zeigt, seien rund acht Prozent der als Ärztinnen und Ärzte qualifizierten Personen in dem betreffenden Jahr nicht mehr erwerbstätig gewesen. Rund 13 Prozent der qualifizierten Mediziner seien nicht mehr als Ärztin oder Arzt tätig gewesen, rund elf Prozent nicht mehr im Gesundheitssektor. Insgesamt habe sich der Anteil der Berufsaustritte auf rund 32 Prozent belaufen.

Sind die Zahlen verzerrt?

Die nackten Zahlen können die tatsächliche Situation jedoch auch verzerren, wie es einschränkend heißt. So fänden sich unter den Berufsaustritten zum Beispiel auch Medizinstudenten, die nach ihrem Studienabschluss zum Beispiel für die Pharmaindustrie im Ausland arbeiteten, oder Ärztinnen, die ihre Karriere aufgrund einer Familiengründung unterbrochen hätten.

Flankiert werden wird der potenzielle ärztliche Fachkräftemangel in der Schweiz in den nächsten Jahrzehnten aller Voraussicht nach von einer rapiden Zunahme der stationären Behandlungsfälle. Das ergibt sich aus dem Bulletin 10/2016 des Obsan, das auf den neuesten Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS) beruht.

Das vom Obsan in Zusammenarbeit mit dem statistischen Amt des Kantons Waadt ausgearbeitete und den Kantonen für ihre Spitalplanung zur Verfügung gestellte Prognosemodell werde für die gesamte Schweiz verwendet, heißt es.

Nachfrageschub bei Reha und Geriatrie

"Vergleicht man die Entwicklung der Spitalaufenthalte nach Versorgungsart mit der Entwicklung der ständigen Wohnbevölkerung, so zeigt sich, dass die Rehabilitation/Geriatrie von 2014 bis 2045 wahrscheinlich am stärksten zunehmen (+85%) und dabei eine sehr ähnliche Wachstumskurve aufweisen wird wie die Bevölkerung ab 65 Jahren (+84%)", wird in dem Bulletin mit Verweis auf den demografischen Wandel, der auch die Eidgenossen nicht verschonen wird, skizziert.

Die geringste Zunahme werde mit 21 Prozent in der Psychiatrie erwartet, die damit nur leicht weniger wachsen dürfte als die ständige Wohnbevölkerung mit 24 Prozent. Trotz der Einschränkungen des Modells, das annehme, es gäbe keine Über- oder Unterversorgung und auf dem Status quo der Versorgungssituation basiere, geht das Obsan davon aus, dass die Spitäler im prognostizierten Zeitraum bis 2045 gut ausgelastet sein werden.

Bedarf ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich

"Stark steigen dürfte die Anzahl der Fälle und Spitaltage in den überwiegend mit dem Alter zusammenhängenden Leistungsbereichen, namentlich in der Nephrologie, der Neurologie und der Gefäßmedizin", wird in den Ausführungen spezifiziert.

Der Bedarf sei dabei von Kanton zu Kanton unterschiedlich. In einigen Kantonen überwögen die Zuwanderungen, in anderen die Abwanderungen von Patienten. Seit 2012 nähmen die Patientenströme markant zu, was, so die Lesart des obsan, wahrscheinlich auf die Einführung der freien Spitalwahl zurückzuführen sei und für die Finanzen der Kantone nicht ohne Folgen bleibe. Diese Tendenz könnte sich in Zukunft weiter verstärken, heißt es.

Ambulante Konsultationen im Trend

Wie eine Analyse des BFS ergeben hat, wurden im Jahr 2014 insgesamt 16,8 Millionen ambulante Konsultationen in den Schweizer Spitälern durchgeführt - ein Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent. Ambulante Konsultationen seien damit 13-mal häufiger als Hospitalisierungen erfolgt, die mit 1,3 Millionen Fällen - einem Plus von 1,4 Prozent gegenüber 2013 - zu Buche geschlagen hätten.

Durchschnittlich ließen sich somit tagtäglich 46.005 Personen in einem Spital mit ambulanten ärztlichen, diagnostischen oder therapeutischen Leistungen versorgen. Bei 8,2 Prozent der ambulanten Konsultationen handelte es sich laut BFS um bildgebende Untersuchungen ohne herkömmliche Röntgenaufnahmen, bei 2,4 Prozent um Dialysen. In der Akutpflege kämen auf eine Hospitalisierung zwölf ambulante Konsultationen, in der Psychiatrie betrage dieses Verhältnis 1:31 und in der Reha/Geriatrie 1:7.

Wie eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) Schweiz prognostiziert, ließe sich durch die stärkere Nutzung des spitalambulanten statt des kostenintensiveren stationären Bereiches jährlich bis zu einer Milliarde Franken an Gesundheitskosten einsparen (wir berichteten). Ambulante Behandlungen schlugen 2014 mit 24,9 Milliarden Franken zu Buche, darunter der spitalambulante Bereich mit 6,3 Milliarden Franken, so PwC.

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