Drei Monate später

Lauterbach will Konzept für Suizidvorbeugung vorstellen

Bis Ende Januar sollte die Bundesregierung Vorschläge für eine bessere Suizidprävention in Deutschland vorlegen. Jetzt will Karl Lauterbach ein Konzept vorstellen. Handlungsmöglichkeiten gibt es viele.

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Berlin. So viel Einmütigkeit war selten: Im vergangenen Juli stimmten 688 Abgeordnete des Bundestages für einen Ausbau der Suizidprävention in Deutschland. Sie forderten, dass die Bundesregierung bis zum 31. Januar eine Strategie vorlegen müsse, wie die hohe Zahl an Selbsttötungen vermindert werden kann.

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An diesem Donnerstag (2. Mai) – drei Monate nach der vom Parlament gesetzten Frist – will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) liefern. Ob dann auch rechtzeitig ein entsprechendes Gesetz folgt, das der Bundestag ebenso einhellig für Ende Juni gefordert hatte, ist offen.

Wie nötig das wäre, zeigen die aktuellen Statistiken: 2022 nahmen sich bundesweit 10.119 Menschen das Leben. Dies entspricht einem Anstieg um 9,8 Prozent oder 904 Fällen gegenüber dem Vorjahr. Erstmals seit acht Jahren liegt die Zahl wieder über 10.000; zudem ist der prozentuale Anstieg binnen eines Jahres der stärkste seit 1980.

Dazu kommen pro Jahr mehr als 100.000 Suizidversuche. Um ein Vielfaches größer ist die Anzahl der Betroffenen: als Hinterbliebener, als Partner, Eltern, Kind aber auch als Rettungssanitäter, Feuerwehr-Angehöriger oder Therapeut.

Recht auf Suizid

Relevanz erhält die Suizidvorbeugung auch durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020: Die Karlsruher Richter erlaubten die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen und werteten den frei verantwortlichen Suizid als einen wichtigen Ausdruck von Selbstbestimmung am Lebensende.

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Für die Bundestagsabgeordneten des interfraktionellen Parlamentskreises Suizidprävention, aber auch für Kirchen, die Bundesärztekammer (BÄK) oder Soziologen ergibt sich daraus umgekehrt die Pflicht des Staates, bei den nicht freiverantwortlichen Selbsttötungen gegenzusteuern und ein Schutzkonzept für Menschen mit Suizidgedanken zu entwickeln.

Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, als gewichte die Gesellschaft die Hilfe zum Suizid stärker als den Schutz von Menschen mit Suizidgedanken.

Hilfesuchende finden oftmals keine Hilfe

Stark gemacht für eine bessere Suizidprävention hat sich das Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro), ein bundesweit agierendes Netzwerk für Erforschung und Austausch zu Suizid, Suizidalität und Suizidprävention mit Sitz in Kassel. Zusammen mit der Deutschen Akademie für Suizidprävention (DASP) erklärten die Experten im vergangenen Herbst, die Situation vieler Hilfsangebote für suizidgefährdete Menschen sei prekär.

Bestehende niedrigschwellige Hilfsangebote wie die Telefonseelsorge oder die Online-Suizidprävention für junge Menschen „U25“ seien überlastet und unterfinanziert.

Nötig seien Bundesmittel von mindestens 20 Millionen Euro im laufenden Jahr für ein Bundesförderprogramm, hieß es. Unter anderem müsse eine zentrale Informations- und Koordinationsstelle zur Suizidprävention mit einer allzeit erreichbaren Telefonnummer für Betroffene, Angehörige und Helfende aufgebaut werden.

Gefordert wurde auch der Ausbau und die Vernetzung regionaler, suizidpräventiver Telefon- und Online-Angebote, auch für Hinterbliebene nach Suizid und Angehörige suizidgefährdeter Menschen.

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Als wichtig sieht NaSPro auch den Ausbau bestehender palliativer und hospizlicher Hilfen am Lebensende sowie von Trauerbegleitungsangeboten an. Wichtig für die Suizidprävention seien auch der Ausbau der Forschung und eine Berücksichtigung des Themas in der medizinischen und in der Pflegeausbildung.

Handlungsbedarf bei einer gesetzlichen Verankerung der Suizidprävention sehen Experten von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention und des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands auch beim Zugang zu Suizidmitteln und -methoden jeder Art: So müssten Brücken, Bahnstrecken, Psychiatrische Kliniken, Gefängnisse oder hohe Gebäude besser gesichert, der Zugang zu Schusswaffen erschwert oder die Packungsgröße von bestimmten Medikamenten verkleinert werden. (KNA)

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