Information gegen Verunsicherung
Viele Diabetiker wurden am 27. Juni durch einen Beitrag in den "Tagesthemen" aufgeschreckt. Und auch die Tagespresse berichtete über den Verdacht, die Gabe von Insulin glargin könne das Krebsrisiko erhöhen.
Veröffentlicht:Auslöser für diese Berichterstattung waren vier Studien, die am 26. Juni in "Diabetologia" vorab online veröffentlicht wurden - deren Ergebnisse in den Publikumsmedien aber teilweise sehr einseitig dargestellt wurden.
Um Patienten, Ärzten und Apotheker zu informieren, reagierten die Fachgesellschaften und das BfArM umgehend mit eigenen Stellungnahmen zu den Daten. Auch in Fachmedien wie der "Ärzte Zeitung" wurde ausführlich berichtet.
So heißt es in der BfArM-Risikoinformation: "Das BfArM hält es beim gegenwärtigen Kenntnisstand nicht für nötig, dass Diabetiker, die Lantus® (Insulin glargin) anwenden, die Behandlung mit dem Arzneimittel beenden. Wenn sich Patienten auf Grund der neuen Erkenntnislage unsicher fühlen und Fragen zur Behandlung haben, sollten sie auf jeden Fall ihren behandelnden Arzt zur Fortführung der Therapie befragen."
Viele Diabetiker seien durch die Publikumsmedien sehr verunsichert worden, berichtet Manfred Flore von der Geschäftsstelle des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB) in Kassel. "Wir hatten am letzten Montag telefonisch hier schon ein bisschen Land unter. In den Landesgeschäftsstellen war das wohl ähnlich." Fast alle Anrufer wollten wissen, wie sie sich verhalten sollen. Hier habe der DDB darauf verwiesen, dies müsse mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, erläutert Flore.
"Es war eine Verunsicherung vorhanden, aber keine Hysterie", so beschreibt Nicole Mattig-Fabian von der Bundesgeschäftsstelle diabetesDE in Berlin die Situation. "Die Zahl der direkten Anfragen, aber auch der über das Diabetestelefon war ein wenig höher als an anderen Tagen". Allerdings habe man in der Geschäftsstelle auch sofort reagiert: Innerhalb eines Tages sei eine Patienten-Information erstellt und auf der Website www.diabetesde.org veröffentlicht worden.
Wie ihre Patienten mit Diabetes reagiert haben und mit welchen Fragen sie in die Arztpraxis oder Apotheke kamen, berichten eine Ärztin und ein Apotheker:
Die Ärztin
"Patienten sind am Montag mit 400 mg/dl in die Praxis gekommen."
Mein Team und ich in unserer diabetologischen Praxis in Rosenheim hatten in der vergangenen Woche mehr als sonst zu tun. Etliche Patienten haben nach den Nachrichten und Presseberichten viele Fragen gestellt: telefonisch, an der Anmeldung, den Diabetesberaterinnen und uns ärztlichen Kollegen.
Solche Meldungen, Freitagabend in die Publikumsmedien zu bringen, wie geschehen, ist sehr ungünstig. Die Nachrichten und Zeitungsberichte sind so gemacht gewesen, dass die Patienten Angst bekamen. Da wurde mit der Angst gespielt. Einige unserer Patienten mit Insulin glargin haben ihre Therapie sofort abgesetzt. Am Montag sind sie dann in die Praxis gekommen mit Blutzuckerwerten um 400 mg/dl. Das ist natürlich nicht zu akzeptieren. Leider haben auch einige Typ-1-Diabetiker die Nachrichten auf sich bezogen, und Eltern haben sich wegen ihrer Kinder, die mit Lantus® versorgt sind, gesorgt.
Zum Glück hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft sehr schnell reagiert. Anhand der von ihr veröffentlichten Daten und Fakten konnte ich die Patienten größtenteils beruhigen. Einige, die auf Lantus® eingestellt waren, wollten ein anderes Insulin. Doch ich habe ihnen begründet, warum ich mich in ihrem Fall für die Therapie entschieden hatte, wegen nächtlicher Unterzuckerungen oder hoher Nüchternwerte und Unterzuckerungen. Und: Die Patienten haben gesagt, dass sie mir vertrauen.
Der Apotheker
"Gemeinsam mit den Hausärzten haben wir eine Vorgehensweise beschlossen."
In meiner Apotheke mit Schwerpunkt Diabetes hat sich die Zahl der Beratungen seit der Diskussion um Insulin glargin, also Lantus®, deutlich erhöht. Fast jeder, der das erhält, spricht uns darauf an, derzeit sind es zwei bis drei Patienten am Tag. Gefragt wird nicht nur beim Einlösen des Rezeptes, die Patienten kommen auch direkt zu uns und wollen sich informieren. Darunter waren auch mehrere, die ohne Rücksprache mit dem Arzt länger als zwei Tage kein Insulin gespritzt haben. Sie sagten, sie hätten Angst, Krebs zu bekommen. Alle äußerten den Wunsch, öffentliche Stellen sollten unabhängige Studien in Auftrag geben, um zu klären, ob wirklich ein Risiko besteht. Die Patienten sind durch die Veröffentlichungen in den Publikumsmedien also ziemlich verunsichert.
Darüber habe ich natürlich auch mit den Hausärzten der Umgebung gesprochen. Basierend auf den Stellungnahmen von BfArM, DDG und diabetesDE haben wir eine gemeinsame Vorgehensweise beschlossen. In der Apotheke raten wir beunruhigten Patienten, unbedingt mit ihrem Arzt zu sprechen. Wir stellen die Stellungnahmen zur Verfügung, weisen auf Unterschiede zwischen den Studien hin und geben die Auskünfte, die das BfArM in seinem Statement vorschlägt. Mir ist dabei wichtig, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu stärken. Das geht nur, wenn Arzt und Apotheker mit einer Stimme sprechen.
Lesen Sie dazu auch: Medienberichte zu Lantus® im Internet