Flüchtlinge

Flüchtlinge: Gute Medizin allein reicht nicht zur Integration

Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge gibt es bislang nur in fünf Bundesländern. Ärzte fordern auf dem Hauptstadtkongress, die Karte flächendeckend einzuführen. Nur so lasse sich die Versorgung sichern.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:

BERLIN. "Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge muss flächendeckend gelten, um Asylsuchende grundlegend medizinisch versorgen zu können", sagte Dr. Peter Bobbert von der Ärztekammer Berlin. Dies wäre nicht nur ein Vorteil für die Flüchtlinge, sondern entlaste auch die kommunale Verwaltung.

Die Gesundheitskarte gelte dauerhaft und müsse nicht wie der grüne Behandlungsschein alle drei Monate erneuert werden. "Dies mindert die Zahl der notwendigen Behördengänge und entlastet auch die Verwaltung", sagte der Klinikarzt. Bislang haben Hamburg, Bremen, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein entsprechende Regelungen getroffen. Bobbert diskutierte in einer Podiumsrunde über "Gesundheitliche Versorgung und soziale Integration von Flüchtlingen und Migranten".

Kammer koordiniert Einsatz

Die katastrophalen Zustände bei der Aufnahme der Flüchtlinge im vorigen Sommer hatte damals auch die Ärzteschaft in der Hauptstadt aktiviert. Rund 800 Berliner Ärzte meldeten sich spontan, so Bobbert, um die Geflüchteten unentgeltlich zu behandeln und medizinisch zu versorgen.

Um das ehrenamtliche Engagement zu unterstützen, hat die Berliner Ärztekammer die Koordination übernommen. Ärzte wurden an die Unterkünfte vermittelt sowie Listen mit bereitstehenden Ärzten an die Betreiber versandt. Auch wurde eine Hotline eingerichtet, um eine schnelle medizinische Beratung zu sichern. Zudem veröffentlichte die Kammer Berlin im August 2015 einen Forderungskatalog zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen. Außer einem umfassenden Zugang zur primärärztlichen Versorgung und einem Budget für Medikamente zählten auch hygienische Mindeststandards hinzu.

"Die meisten Infektionskrankheiten, unter denen Flüchtlinge leiden, haben sie erst in den Massenunterkünften erworben", sagt Bobbert. Der Berliner Klinikarzt stellte klar, dass Ärzte auch eine sozialpolitische Aufgabe hätten und für eine weltoffene, menschenfreundliche Gesellschaft einträten. "Das müssen wir angesichts der rechtspopulistischen Stimmen, die laut werden, klar sagen", so Bobbert. Für Elke Böthin vom Referat Menschenrechte der Bundesärztekammer gleicht die Etablierung der Gesundheitskarte einem "Flickenteppich". Dies liegt zum einen an dem bundesweit geringen Verbreitungsgrad, zum anderen am eingeschränkten Zugang zur Versorgung.

Denn die Karte ermöglicht eine Behandlung lediglich bei akuten Beschwerden, bei Schmerzen und im Notfall. Böthin unterstrich die jüngsten Forderungen des Deutschen Ärztetages, in denen ein "barrierefreier Zugang zur Regelversorgung" für Flüchtlinge angemahnt wurde.

Das zentrale Problem dabei sei, dass die Kommunen die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge zusätzlich stemmen müssten. Wobei im Einzelfall die Entscheidung, so kritisierte Böthin, nicht beim Gesundheitsamt vor Ort, sondern in der Sozialbehörde getroffen werde. "Der öffentliche Gesundheitsdienst muss dringend gestärkt werden", sagte sie. Innovative Lösungen sieht sie in Brandenburg und Schleswig-Holstein, wo die Landesregierungen die Kosten teilweise oder sogar ganz übernehmen und so die kommunalen Budgets entlasten.

Arbeit ermöglicht Integration

Deutlich wurde in der Diskussionsrunde, dass eine gute Gesundheit nicht nur am Tropf der Medizin hängt. Sie brauche auch ein gesellschaftliches Klima, das Engagement und Initiative ermöglicht. Einig waren sich die Experten, dass die aktuelle Flüchtlingspolitik eine gute Integration eher gefährde. "Wenn Asylsuchende zu lange von jeglicher Arbeit ausgeschlossen werden und nicht in die Gesellschaft integriert werden, macht sie das seelisch kaputt", sagte Professor Barbara John vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Nur wer mit seinen Talenten "wirkmächtig" werden könne, habe die Chance, sich in Deutschland eine Zukunft aufzubauen. Die ehemalige Berliner Ausländerbeauftragte kritisierte, dass ein bis zwei Jahre vergehen werden, bevor die Flüchtlinge arbeiten und etwas selbst in die Hand nehmen dürften. Entscheidend sei dabei der Integrationseffekt: "Die Flüchtlinge wollen dazu gehören und deswegen müssen wir sie so schnell wie möglich in die Gesellschaft holen".

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