Sexualität

Ist der weibliche Orgasmus überflüssig?

Bei Männern geht der Orgasmus mit der Ejakulation von Samen einher, der Höhepunkt erscheint hier biologisch sinnvoll. Doch bei Frauen erfolgt der Eisprung völlig unabhängig vom Erreichen des Höhepunkts. Wozu also die weibliche Erregung?

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Ist der weibliche Orgasmus überflüssig?

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CINCINNATI/OHIO. Dass eine Studie zum weiblichen Orgasmus in einer Fachzeitschrift für experimentelle Zoologie erscheint, mag wunderlich genug anmuten. Nicht weniger merkwürdig ist die Fragestellung: Warum haben Frauen überhaupt einen Orgasmus?

Kein Beitrag zur Reproduktion

Der Orgasmus von Frauen leistet keinen Beitrag zur Reproduktion, schließlich findet der Eisprung unabhängig davon statt. Frauen können sich somit auch ohne Orgasmus fortpflanzen. Für Männer ist das schwieriger, denn die Weitergabe von Samen ist an die Ejakulation und diese im Normalfall an den Orgasmus geknüpft.

Weitere Rätsel kommen hinzu. Statistisch betrachtet bekommen Frauen bei der Masturbation und beim homosexuellen Verkehr häufiger einen Orgasmus als beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr - besonders, wenn bei Letzterem die Klitoris nicht zusätzlich stimuliert wird. Es gibt auch keinen Zusammenhang zwischen den Orgasmen und der Zahl der Nachkommen.

Nützliche Nebeneffekte

Der Zweck des weiblichen Höhepunkts wird üblicherweise mit nützlichen Nebeneffekten erklärt, die etwa die Wahl eines Partners und die Bindung an ihn erleichtern. Ein anderes Erklärungsmuster zielt auf die gemeinsame Basis in der Organentwicklung von Penis und Klitoris. So betrachtet wäre der weibliche Orgasmus eine Art Glückslos, gezogen aus der Notwendigkeit, dass Männer für ihre Fortpflanzung einen Orgasmus benötigen.

Für Mihaela Pavlicev von der University of Cincinnati und Günter Wagner von der Yale University in New Haven greifen diese Erklärungen zu kurz, weil sie zwar die Funktion des weiblichen Orgasmus, nicht aber ihren Ursprung erklären.

Pavlicev und Wagner halten den weiblichen Orgasmus beim Menschen für eine Art Atavismus, ein evolutionsbiologisches Homolog, das sich aus einer Entwicklungsphase herleitet, als der männliche Partner den weiblichen Orgasmus und dieser den Eisprung triggerte - eine Konstellation, wie sie beispielsweise bei Katzen, Mardern und Bären immer noch Usus ist.

Nach Umstellung von der Reflex- auf eine spontane zyklische Ovulation blieb die Orgasmusfähigkeit erhalten und stand ab da für die Modellierung diverser Sekundärnutzen zur Verfügung.

Einen Beleg für ihre These sehen die beiden Forscher in der weiblichen Genitalanatomie. Bei Tieren, die für den Eisprung einen Orgasmus benötigen, liegt die Klitoris mehr oder weniger im Kopulationskanal.

Wo der Orgasmus keine reproduktive Funktion erfüllt, muss die Klitoris nicht stimuliert werden. Sie muss daher nicht mehr im Kopulationskanal liegen - und sie tut dies bei den Primaten auch nicht.

Bliebe noch zu klären, weshalb der Orgasmus eigentlich Spaß macht - eine Frage, die sich Pavlicev und Wagner nicht vorlegen. Eine naheliegende Antwort wäre, dass man Dinge, die Freude bereiten, häufig und gerne wieder tut. So hätte die weibliche Fähigkeit zum Orgasmus also durchaus eine reproduktive Funktion. Denn praktizierter Sex erhöht die Chance auf Fortpflanzung erheblich. (rb)

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