Rechtsmediziner fordert

DNA-Codes aller Menschen in Deutschland erfassen

Der rigide Datenschutz in Deutschland hat seinen Preis, glaubt der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel. Verbrecher können Spuren hinterlassen und dennoch davonkommen. Er hat eine Idee, wie sich dies ändern ließe.

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Datenschutz versus Verbrechensaufklärung: Rechtsmediziner fordert DNA-Erfassung aller Menschen in Deutschland.

Datenschutz versus Verbrechensaufklärung: Rechtsmediziner fordert DNA-Erfassung aller Menschen in Deutschland.

© Damerau / iStock / Thinkstock

HAMBURG Würde eine DNA-Datenbank Deutschland sicherer machen? Die Antwort des Hamburger Rechtsmediziners Klaus Püschel klingt radikal: Von jedem Neugeborenen und jedem Erwachsenen sollte man eine Genprobe nehmen, auch von Touristen oder Flüchtlingen. "Dann können wir Verbrechen viel schneller und viel besser aufklären, weil wir bei jeder Spur an einem Geschehensort sagen können, von wem die Spur ist", sagte Püschel. Auch nach einem Unglücksfall wäre die Identifizierung von Toten viel einfacher.

Die Daten sollten nach Ansicht des Rechtsmediziners an einem vollkommen sicheren Ort gespeichert werden, "tief unten in einem Bergwerk", und auch vor Hackerangriffen absolut geschützt sein. Über den Zugang sollten mehrere Richter wachen, die die Daten nur in gesetzlich klar definierten Fällen herausgeben, etwa bei Entführung, Vergewaltigung, Mord und Totschlag.

Interessanter Gedanke mit Gefahr

Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Hamburg, sagt zu dem Vorschlag: "Aus kriminalistischer Sicht wäre das ein interessanter Gedanke. Die polizeiliche Arbeit könnte dadurch erheblich vereinfacht werden." Doch dann äußert er große Bedenken: "Wer sichert uns zu, dass diese Datenbank nicht in falsche Hände gerät, beispielsweise in die von Kriminellen, anderen Staaten oder auch der privaten Wirtschaft, die daraus ihren Nutzen ziehen könnten und wohl auch würden?"

Datenschützer: Keine Strafverfolgung um jeden Preis

Auch Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar warnt eindringlich vor Püschels Idee. "Eine Erfassung des individuellen genetischen Codes der Bevölkerung stellte einen massiven millionenfachen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung und die Menschenwürde dar", betont Caspar.

Eine genetische Vorratsdatenspeicherung sei weder mit der Unschuldsvermutung noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. "Eine Strafverfolgung um jeden Preis, die den Einzelnen ohne Anlass als Objekt der staatlichen Kontrolle behandelt, mag es in totalitären Systemen geben. Dem Rechtsstaat sind derartige Ansätze fremd", urteilt der Datenschützer.

Caspar sieht auch die Gefahr, dass genetische Anlagen ausgeforscht werden. Schon bei früheren Gesetzgebungsverfahren sei darauf geachtet worden, dass besonders schutzbedürftige Persönlichkeitsmerkmale nicht erfasst werden.

Rechtsmediziner: Es geht nur um Zahlencode

Püschel widerspricht dieser Sorge vehement. Es gehe nur um einen Zahlencode. "Da ist nichts von unserer Persönlichkeit dabei. Kein Mensch weiß, welche Augenfarbe Sie haben oder ob Sie graue Haare haben. Das ist nur wie Lottozahlen, die sagen nichts darüber aus." Es wäre dann unnötige Arbeit, nach weiteren Merkmalen zu suchen. Jetzt müssten Ermittler immer noch überlegen, ob ein Täter blond sei und dunkle Augen habe. "Das hilft einem doch nicht viel, ehrlich gesagt. Sie kommen nur auf diese Person, wenn Sie seinen DNA-Code haben", sagt Püschel. Zudem offenbarten sich die meisten Menschen sowieso weitgehend im Internet. "Wo ist das Problem - bei einer Zahlenkombination?"

Die stellvertretende Landesvorsitzende des Weissen Rings, Kristina Erichsen-Kruse hätte damit persönlich kein Problem, obwohl sie ebenfalls sehr bezweifelt, dass die Daten auf Dauer dem Zugriff Dritter entzogen und vor Hackerangriffen geschützt werden könnten. Erichsen-Kruse weiß aber auch, wie wichtig es ist, Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. "Für Verbrechensopfer ist es häufig das A und O, dass der Täter gefunden wird. Sie wollen, dass ihnen als Opfer Recht widerfährt", betont die Vize-Vorsitzende der Hilfsorganisation. "Betroffene schwerer Gewaltdelikte wie zum Beispiel Vergewaltigungsopfer oder Eltern, deren Kind getötet wurde, können sonst nie abschließen."

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