Schweinegrippe: Berliner Ärzte wollen nicht impfen

BERLIN (ami). Trotz offizieller STIKO-Empfehlung wollen Kassenärzte in Berlin vorerst keine Impfungen gegen Schweinegrippe vornehmen. Sie führen inhaltliche, praktische und finanzielle Gründe ins Feld.

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Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin hat dem KV-Vorstand per Beschluss verboten, eine Vereinbarung mit dem Senat zu treffen, solange nicht das Mindesthonorar für eine Einfachimpfung laut Impfvereinbarung von 7,10 Euro gewährleistet ist. Die Impfungen seien eigentlich Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), so der Orthopäde Dr. Hans-Detlef Dewitz. Er verwies auf eine Statistik des Berliner Senats, wonach eine Impfung durch den ÖGD im Jahr 2005 durchschnittlich 21,79 Euro gekostet habe. "Das ist dreimal so teuer, wie das, was die KV angeboten hat", so Dewitz.

Der Hausarzt-Internist Dr. Detlef Bothe vertrat die Auffassung, dass selbst der einfache Impfkostensatz "ein wahres Geschenk an den Senat" sei, da ein hoher Beratungsbedarf zu erwarten sei. Nicht nur finanzielle Gründe waren für die Ablehnung entscheidend. Die Vertreter äußerten zahlreiche inhaltliche Bedenken gegen die Impfung. Bei einer Spontanumfrage gaben nur drei von knapp 30 Ärzten im Saal offen an, dass sie sich selbst gegen Schweinegrippe impfen lassen wollen. Viele äußerten Zweifel, ob sie ihren Patienten zur Impfung raten sollten. Sie verwiesen unter anderem auf die fehlende Zulassung des Impfstoffes in den USA, mangelnde epidemiologische Daten und die in den Medien diskutierte "Verquickung der Ständigen Impfkommission mit der Pharmaindustrie".

Bothe sprach von einer "vorschnell geplanten Massenimpfung" und erinnerte an die ärztliche Maxime "Zuallererst nicht schaden". Dagegen appellierte die Allgemeinmedizinerin und KV-Chefin Dr. Angelika Prehn an "die Verantwortung der Ärzte, Krankheiten zu vermeiden".

Zweifel äußerten die Berliner Ärzte auch an der Machbarkeit der Impfung in den Arztpraxen. Vor allem die Kinderärzte sehen sich vor einer Herausforderung. Sie müssten nicht nur zehn, sondern 20 Impfdosen an einem Tag verbrauchen. "In einer normalen Sprechstunde ist das nicht zu verimpfen", so der Pädiater Klemens Senger. Die Praxen müssten dazu reine Impfsprechstunden einrichten. Solange keine Vereinbarung mit dem Senat besteht, kann die Impfung nach Auffassung des KV-Vorstands Burkhard Bratzke nur gegen Kostenerstattung in den Arztpraxen vorgenommen werden. Die Impfvereinbarung der KV Berlin mit den Berliner Krankenkassen enthält jedoch eine Bestimmung, wonach eine STIKO-Empfehlung automatisch eine Leistungspflicht der Krankenkassen auslöst. Ob dieser Passus auch bei der Schweinegrippe greift, werden KV, Kassen und Senat diskutieren müssen.

Ärztekammer Berlin, KV und Senat laden für Dienstag zu einer Informationsveranstaltung zum Thema ein: www.kvberlin.de

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