Kontoräuber: Mit welcher Masche sie ans Geld kommen
Nicht immer ist die Abofalle im Internet Schuld: Internetfirmen buchen auch über andere Wege unerlaubt Gelder ab und setzen zusätzlich noch Mahn-Anwälte in Marsch.
Veröffentlicht:BREMEN. "Wo verschwindet bloß immer das ganze Geld?", fragt sich mancher beim Blick auf seine Kontoauszüge. Meist lautet die Antwort: selber Schuld! Ganz anders bei Frau B. aus Bremen.
Die 59-jährige Lehrerin gehört zu jenen Menschen, deren Kontostand ohne eigenes Zutun sinkt. Die Schweizer Internet-Abrechnungsfirma Eurobill AG buchte bei Frau B. einfach ohne Einzugsermächtigung innerhalb dreier Wochen insgesamt 340 Euro ab.
Ihre Bank holte das Geld zwar wieder zurück, aber Ruhe hatte Frau B. damit noch lange nicht. Jetzt kamen wiederholt Mahnungen vom Münchener Anwaltsbüro Auer/Witte/Thiel: "Sie haben mit Ihrem Benutzernamen Xlecker1 ein Angebot in Anspruch genommen, das über das Payment-System Eurobill abgerechnet wurde. Trotz Fälligkeit haben Sie leider bislang die vertraglich geschuldete Vergütung ... nicht bezahlt."
Welches Angebot die Lehrerin genutzt haben soll, teilte ihr niemand mit. Sie versichert glaubhaft, keine kostenpflichtigen Internetseiten anzuklicken.
Also Beschwerde beim Anwaltsbüro. Die Antwort kam prompt: Sollte Frau B. "der Auffassung sein, das Angebot nicht genutzt zu haben", möge sie bitte "Anzeige gegen Unbekannt wegen der missbräuchlichen Nutzung Ihrer Daten" erstatten; dann lasse sich das Mahnverfahren "unterbrechen".
Anzeige? Na klar - aber nicht gegen Unbekannt, sondern gegen Eurobill wegen Betruges. Denn Frau B. glaubt nicht, dass ein anderer unter ihrem Namen surft, sondern dass die Firma vorsätzlich Konten erleichtert. Darüber klagen auch andere Verbraucher im Internet. Die Anzeige liegt derzeit noch bei der Bremer Polizei.
Ein kleiner Trick legt die Kontodaten offen
Frau B. hat aber auch die Münchener Anwälte angezeigt - wegen Betrugsbeihilfe und Nötigung. Doch bei der Staatsanwaltschaft München I hatte die Bremerin kein Glück: Das Verfahren wurde jetzt eingestellt, weil die Anwälte "im guten Glauben" gehandelt hätten, dass Frau B. tatsächlich zahlungspflichtig sei.
Dass es tatsächlich Kontoräuber gibt, bestätigt Frank-Christian Pauli vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Kontonummern beschaffen sie sich von Datenhändlern oder mit einem Trick: Zunächst überweisen sie Centbeträge an frei erfundene Zahlenkombinationen. Klappt die Überweisung, wissen sie, dass sie ein reales Konto gefunden haben.
So lief es wohl auch bei Frau B.: Einen Monat vor den Abbuchungen waren bei ihr 15 und 17 Cent eingegangen.
Kann also jedermann fremde Konten plündern? Nicht ganz. Zum Geldeinziehen muss eine Firma zunächst eine "Lastschrift-Inkassovereinbarung" mit ihrer eigenen Bank abschließen.
Dabei wird unter anderem ihre Bonität geprüft, erläutert Michaela Roth vom "Zentralen Kreditausschuss" (ZKA) der Bankenbranche. Ob die Firma dann für ihre einzelnen Abbuchungen tatsächlich eine Einzugsermächtigung besitzt, wird aber in aller Regel nicht mehr kontrolliert.
Im Gegenzug dürfen die Kunden die Beträge formlos zurückfordern: binnen sechs Wochen nach Quartalsende ohne Begründung, danach nur mit dem Nachweis, dass zu Unrecht abkassiert wurde.
Dieses System schaffe "ein hohes Maß an Sicherheit", findet die ZKA-Sprecherin. Daher komme es bei sieben Milliarden Lastschriftzahlungen pro Jahr nur "sehr, sehr selten" zu Missbräuchen, glaubt Roth.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar nannte es hingegen schon 2008 "ein Problem, dass die Institute Einzugsermächtigungen nicht prüfen - das lädt zum Missbrauch ein".
Verbraucherschützer fordert Banken zur Kontrolle auf
Auch Verbraucherschützer Pauli fordert mehr Kontrollen: Wolle eine Firma erstmals Gelder einziehen, müsse ihre Bank genauer die Zuverlässigkeit prüfen und sich anfangs die Einzugsermächtigungen zeigen lassen. Diesen Aufwand scheint die Branche aber bislang zu scheuen.
Was Eurobill und ihre Mahn-Anwälte zu alledem sagen? Sie reagieren nicht auf wiederholte Anfragen der "Ärzte Zeitung".
Stattdessen verschickte die Kanzlei noch wochenlang weiter Mahnungen - zuletzt sogar mit der indirekten Drohung, Frau B. einen negativen Schufa-Eintrag zu bescheren.