Onkologen outen sich als stille Rationierer

Onkologen beginnen, am Krankenbett zu rationieren. Bessere Therapien fallen aus Kostengründen unter den Tisch. Das räumen die aktiven Mitglieder DGHO in den Antworten auf eine aktuelle Umfrage ein.

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Klinik-Tristesse. Auch Onkologen sparen wider besseres Wissens an der Versorgung der Patienten.

Klinik-Tristesse. Auch Onkologen sparen wider besseres Wissens an der Versorgung der Patienten.

© wolterfoto / imago, Gina Sanders / fotolia.com

BERLIN (af/sun). Eine Mehrheit von Ärzten verzichtet zumindest gelegentlich aus Kostengründen auf die jeweils optimale onkologische Therapie, sagte Professor Stefan Krause vom Uniklinkum Erlangen gestern in Berlin.

Er hatte für die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) eine Umfrage unter den Mitgliedern der Fachgesellschaft gestartet, um zu ergünden, inwieweit Kostenaspekte Therapieentscheidungen beeinflussen.

345 Onkologen hatten geantwortet. Die Antworten von niedergelassenen und Klinik-Fachärzten fielen nahezu gleich aus.

Großteil der Ärzte schaut auch auf den Preis

Danach erklärten 65 Prozent der teilnehmenden Ärzte, mindestens einmal in der Woche unter mehreren gleichwertigen Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten die preiswertere zu wählen. Gleiches gelte ebenso regelmäßig für die Auswahl von Medikamenten, sagte Krause.

Dieses Verhalten fällt unter den für die meisten Ärzte selbstverständlichen sparsamen Umgang mit Ressourcen.

Anders sieht es aus, wenn Ärzte aufgrund des auf den Praxen und Kliniken lastenden Kostendrucks auf Therapien verzichten, bei denen sie für den Patienten eigentlich einen Nutzen sehen.

19 Prozent unterlassen Therapie aus Kostengründen

Die DGHO-Umfrage hat ergeben, dass 59 Prozent der antwortenden Ärzte aus Kostengründen auf eine Therapie verzichteten, weil ihnen der therapeutische Zusatznutzen zu gering erscheint.

Immerhin 19 Prozent unterließen bestimmte Therapien und Verordnungen aus Kostengründen, obwohl nach der Studienlage ein erheblicher Zusatznutzen zu erwarten gewesen wäre.

Die Onkologen reihen sich damit bei den Intensivmedizinern und Kardiologen ein, die in Umfragen ebenfalls über praktizierte Rationierung gesprochen haben.

DGHO-Chef Professor Gerhard Ehninger forderte einen öffentlichen Diskurs darüber, wie die teuren Krebstherapien trotz des zunehmenden Kostendrucks weiter für alle Patienten finanziert werden können. Die endgültigen Umfrageergebnisse will die DGHO im Herbst vorstellen.

Nicht jeder "Klitsche" Zugang gewähren

Die teure und nebenwirkungsträchtige medikamentöse Tumortherapie gehöre in die Hand von onkologisch hochqualifizierten Ärzten, schlug Ehninger den Bogen von der Rationierung zur im Versorgungsgesetz geplanten ambulanten spezialärztlichen Versorgung.

Für alle daran teilnehmenden Ärzte sollten daher höchste Qualitäts- und Qualifikationsanforderungen gelten. Nicht jeder "Klitsche" solle der Zugang erlaubt sein.

Auch bei den Kassen macht man sich Gedanken, wie sich der Sektor auswirken wird. Ohne Bedarfsplanung und Mengensteuerung werde er "schnell zum Kostentreiber sowohl bei den Honoraren als auch in der Arzneimittelversorgung avancieren", sagte Barmer GEK-Vize Rolf Schlenker.

Daher müssten die "qualitativen Zugangsvoraussetzungen besonders streng definiert werden." Der Entwurf zum Versorgungsgesetz sieht bislang keine Bedarfsplanung vor.

Lesen Sie dazu auch: Onkologie-Zentren drängen in neuen Versorgungssektor

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