Bei Kindesmisshandlung soll die Schweigepflicht gelockert werden
Der Entwurf des Kinderschutzgesetzes verspricht Ärzten Klarheit bei der Informationsweitergabe an das Jugendamt. Pädiater haben aber weiterhin schwere Bedenken gegen die Pläne des Familienministeriums.
Veröffentlicht:BERLIN. Der aktuelle Entwurf des Bundeskinderschutzgesetzes lockert die ärztliche Schweigepflicht bei Verdacht auf Kindesmisshandlung. Den Jugendämtern dürften Ärzte künftig einen Verdacht mitteilen, würde der Entwurf Gesetz.
Dazu wären sie ausdrücklich befugt. Die Autoren des Gesetzestextes versprechen Ärzten dafür "größere Handlungssicherheit".
In solchen Fällen sei ein "Rückgriff auf die allgemeinen strafrechtlichen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe entbehrlich", haben sie in die Begründung geschrieben. Eine bundeseinheitliche Norm solle dies noch präzisieren.
Deutsches Kinderhilfswerk ist nicht glücklich über geplante Regelung
Ärzte und das Deutsche Kinderhilfswerk sind über die geplante Regelung gar nicht glücklich. Die Schweigepflicht dürfen Ärzte nämlich ausschließlich gegenüber den Jugendämtern brechen. Das ist für den Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder und Jugendärzte, Dr. Wolfram Hartmann, nicht akzeptabel.
"Es gibt Ämter, die unprofessionell und unsensibel handeln", hält Hartmann, gegenüber der "Ärzte Zeitung" mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Manche ständen in dem Ruf, Kinder schnell aus den Familien zu entfernen. Andere täten wider besseren Wissens nichts.
Eine Rückkopplung zwischen Jugendamt und Arztpraxis und damit das wichtigste Element der Qualitätssicherung sei erst gar nicht vorgesehen.
Mehr als nur Kommunikationskanal sein
Die Pädiater wollen mehr als nur den einen Kommunikationskanal zwischen Arztpraxis und Jugendamt. Vertragsärzte und andere Geheimnisträger zum Beispiel aus der Sozialarbeit sollten sich bei einem "Bauchgefühl" kurz schließen dürfen, wünscht sich Hartmann.
So ließe sich klären, ob andere Ärzte, Lehrer, Drogenberater, Familientherapeuten und andere Helfer eventuell einen vagen Verdacht bestätigen oder entkräften helfen könnten.
Eine Möglichkeit, sich ohne Angst vor dem Staatsanwalt mit Kollegen über Verdachtsfälle auszutauschen, streben auch die Pädiater und Kriminalbeamten im Duisburger Netzwerk "Riskid" an.
Denn: Reagiert ein Arzt misstrauisch, wenn er in seiner Praxis ein verletztes Kind behandelt, gehen die Eltern zum nächsten. So gehe wichtige Zeit für eine klare Diagnose gehe verloren, heißt es auf der Internetseite von "Riskid".
Verbesserung nicht zu erkennen
Das Familienministerium habe es verpasst, mit dem Gesetzentwurf eine echte Schnittstelle zwischen dem Gesundheitswesen und der staatlichen Kinder- und Jugendhilfe zu schaffen, sagt Georg Ehrmann, der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe.
Eine Verbesserung gegenüber dem status quo sei nicht zu erkennen, sagte Ehrmann der "Ärzte Zeitung". Es gebe 607 Jugendämter in Deutschland. Keines arbeite wie das andere. Hier etwas überzustülpen, bedeute Reibungsverluste. Länder sähen bei dem Gesetz noch erheblichen Nachbesserungsbedarf.
Obwohl das Gesetz Rechte der Ärzte und eventuell Vergütungsregeln für die von den Vertragsärzten geforderte Mitarbeit in der Prävention von Misshandlungen berührt, ist aus dem Gesundheitsministerium (BMG) dazu wenig zu hören.
In einer Anhörung im Familienministerium sei das BMG lediglich niederrangig vertreten gewesen, berichten Teilnehmer. Aus dem BMG wiederum hieß es, man vertrete in dem Verfahren eine Position, "Schaden von der GKV" abzuwenden.
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