"Mensch Nr. 6.000.000.000" lebt heute in Armut
Als Adnan vor zwölf Jahren in Sarajevo als "Mensch Nr. 6.000.000.000" geboren wurde, überschlugen sich Medien und Politiker. Heute lebt der bosnische Junge mit seiner Familie am Existenzminimum.
Veröffentlicht:VISOKO. Die Ansammlung von heruntergewirtschafteten farblosen Wohnklötzen in der Gemeinde Visoko macht einen trostlosen Eindruck.
Die Fassaden erinnern mit zahlreichen Einschusslöchern noch an den Bürgerkrieg (1992-1995).
250 Euro pro Monat
Ganz unter dem Dach eines dieser deprimierenden Bauten wohnt Adnan Mevic. Seine arbeitslosen Eltern und er müssen mit umgerechnet 250 Euro im Monat über die Runden kommen.
Armut in der kleinen Wohnung, wohin man auch schaut.
Adnan war bei seiner Geburt ein Weltstar
Dabei war der Zwölf-Jährige bei seiner Geburt ein Weltstar. Die Bürgermeister der nahegelegenen Hauptstadt Sarajevo und der Heimatgemeinde Visoko setzten sich ebenso öffentlichkeitswirksam in Szene wie der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan.
Der schaukelte das Kind unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen auf seinem Arm und übernahm die Patenschaft.
"Haben keinerlei Kontakt mit den Vereinten Nationen"
"Und das war's!", sagt seine heute 40-jährige Mutter Fatima. "Wir haben keinerlei Kontakt mit den Vereinten Nationen. Sie wollen uns nicht einmal ein Zertifikat als Beleg ausstellen", klagt die Frau, die mit Gelegenheitsjobs das dürftige Familienbudget von Zeit zu Zeit aufbessert.
"Wenn man sich überhaupt nicht kümmert, braucht man auch nicht soviel Show bei der Geburt zu machen", ist sie enttäuscht.
"Uns geht es nur um unser Überleben"
Was dem Jungen geblieben ist von seinem damaligen Ruhm ist ein Foto mit allerlei Honoratioren und eine Silberplakette der UN. "Das bedeutet uns wenig, denn das kann man nicht essen", sagt der bettlägrige Vater Jasmin resigniert. "Uns geht es nur um unser Überleben."
Der 48-jährige frühere Kino-Hausmeister war vor zwei Jahren an Darmkrebs erkrankt. "Selbst die Beutel für meinen künstlichen Darmausgang kann ich mir fast nicht leisten", beschreibt er seine ausweglose Lage.
Schulkollegen sind neidisch
Ja, in seiner 7. Klasse seien die Schulkollegen schon auf ihn neidisch, weil er an Jahrestagen wie jetzt wieder von Journalisten aus aller Welt regelrecht überrannt wird. "Aber ich bin doch ein ganz normaler Junge", versichert Adnan.
Die Fächer Erdkunde und Geschichte machten ihm besonders Spaß, Mathematik und Religion seien ihm dagegen ein Gräuel. Beim Fußballspielen in der Straße der Siedlung gilt er als verlässlicher Torwart.
Die Mutter möchte Adnan eine bessere Zukunft bieten
Doch jetzt, kurz vor Geburt von "Mensch Nr. 7.000.000.000" steht die Familie erneut im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. "Das ist uns noch nie passiert", sagen die Drei wie auf Kommando.
Das örtliche Fernsehen grub das Thema Adnan vor kurzem wieder aus. Wenig später erhielt der Junge drei Fahrräder, eines schickte sogar die Moschee. Auch Kleidung und Nahrung wurde gespendet.
750 Euro für ein halbwegs anständiges Leben
Doch die kleine Familie ist realistisch. "Nach der Geburt von Adnans Nachfolger werden wir wieder in Vergessenheit geraten", sagt die Mutter traurig, weil sie ihrem Sohn keine bessere Zukunft bieten kann.
Denn umgerechnet 750 Euro benötigten sie für ein halbwegs anständiges Leben, doch nur ein Drittel dieser Summe steht zur Verfügung. Damit teilt die Adnan-Familie das Schicksal der allermeisten Bosnier. (dpa)