Organspende-Reform samt Daten-Skandal?
Still und leise wurde in der Organspende-Reform die Forschungsklausel aufgebohrt. Damit könnten persönliche Daten von Spendern und Empfängern an die Pharmaindustrie gelangen - und das ohne Zustimmung der Betroffenen. Für die Opposition ein handfester Skandal.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Gesetzentwürfe zu den Änderungen bei der Organspende befinden sich nach langem Ringen auf der Zielgeraden: Am Freitag (25. Mai) ist die abschließende Beratung im Bundestag.
Eigentlich Grund zum Feiern: Schließlich ist ein fraktionsübergreifender Kompromiss zur Entscheidungslösung gefunden, gleichzeitig wird auch das Transplantationsgesetz reformiert.
Statt Freude über das Erreichte kommt im politischen Berlin aber eher Katerstimmung auf: Die Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) steht unter Beschuss und soll nun komplett neu organisiert werden; die beiden Gesetzesentwürfe werden aus den Fraktionsreihen zerpflückt; und auch die Art und Weise der Umsetzung der Reform wird massiv kritisiert.
Von großer Einigkeit der Fraktionen kann also keine Rede mehr sein.
Forschungsklausel sorgt für Zwist
In der Kritik steht unter anderem die sogenannte Forschungsklausel. Mit der Reform des Transplantationsgesetzes soll jetzt ein entsprechender Paragraf entriegelt werden.
Damit könnte die Weitergabe von Daten von Organspendern und -empfängern künftig auch für kommerzielle Forschungszwecke zulässig sein - unter bestimmten Bedingungen sogar ohne das Einverständnis der Betroffenen.
Das geht aus einer Stellungnahme der Bundesregierung hervor, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Dort heißt es: Die Regelung diene dem Zweck, die Transplantationsmedizin "im Interesse der betroffenen schwer kranken Patienten" weiterzuentwickeln.
Die "bestimmten Bedingungen", unter denen die Daten an Dritte weitergeben werden dürfen, treten unter anderem dann ein, wenn an einem Forschungsvorhaben ein "öffentliches Interesse besteht, welches die Interessen der betroffenen Personen überwiegt".
Ein Forschungsvorhaben der pharmazeutischen Industrie könne auch im öffentlichen Interesse sein, ein zugleich bestehendes kommerzielles Interesse schließe das öffentliche Interesse nicht aus, so die Bundesregierung. Es gebe "keine verfassungsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Bedenken", heißt es in dem Schreiben.
Grüne wittern einen Skandal
Die Opposition läuft hingegen Sturm: "Skandalös", schimpft Grünen-Politiker Harald Terpe: "Informationen von Organspendern und -empfängern sind hochsensible Daten. Die bisherigen Vorgaben zum Umgang mit diesen Daten sind deswegen zu Recht sehr streng."
Die Bundesregierung wolle es aber jetzt Unternehmen möglich machen, diese Daten zu kommerziellen Zwecken etwa für die Forschung zu verwenden. Und das wird aus Sicht der Opposition zu wenig in die Öffentlichkeit kommuniziert.
Den Bürgern sei oftmals nicht bekannt, dass der Handel mit Gewebe und Daten nicht ausgeschlossen sei, heißt es bei den Grünen und Linken.
"Viele wollen ihre Organe aus altruistischen Gründen spenden und nicht ihre Daten zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen", sagte Linken-Politikerin Kathrin Vogler der "Ärzte Zeitung".
Unmut gibt es in den Fraktionen aber auch über die Art und Weise, wie das Gesetz umgesetzt wird, nämlich ohne Diskussion über sensible Themen. "Die Koalition, allen voran die Union, versucht das Verfahren auf Teufel komm heraus abzuschließen", heißt es aus Oppositionskreisen.
Noch viele offene Fragen
Wesentliche Fragen seien allerdings nach wie vor nicht geklärt: unter anderem die künftige Rolle der Krankenkassen und die Bedeutung der elektronischen Gesundheitskarte als Organspendeausweis. Geplant ist, dass die Kassen auf der elektronischen Gesundheitskarte eine Entscheidung zur Organspende eintragen können.
Die Grünen wettern dagegen und auch der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery sprach sich dagegen aus: Die Entscheidung der Versicherten gehe die Kassen nichts an.
Die Grünen hatten zudem bereits in der vergangenen Woche vor übertriebener Hoffnung gewarnt: "Wir werden auch künftig Wartelisten haben", sagte Grünen-Gesundheitsexpertin Elisabeth Scharfenberg.
Die Novelle soll die private und gesetzliche Versicherung verpflichten, allen Versicherten über 16 Jahren Informationsmaterial und einen Spendeausweis zu schicken. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass möglichst viele Menschen in der heiklen Frage entscheiden.
Niemand soll aber zu einer Entscheidung verpflichtet werden. Auf der Warteliste stehen rund 12.000 Patienten. Kliniken werden künftig dazu verpflichtet, Transplantationsbeauftragte zu bestellen.
Und so steht es im Gesetzentwurf
Entwurf Transplantationsgesetz, Paragraf 14, Absatz 2a:
"Ärzte und anderes wissenschaftliches Personal des Entnahmekrankenhauses, des Transplantationszentrums [...] dürfen personenbezogene Daten, die im Rahmen der Organ- und Spendecharakterisierung beim Organ- oder Gewebespender oder im Rahmen der Organ- und Gewebeübertragung beim Organ- oder Gewebespender erhoben worden sind, für eigene Forschungszwecke verwenden. Diese Daten dürfen an Dritte [...] übermittelt und von diesen verwendet werden, wenn
1. die Daten der betroffenen Person nicht mehr zugeordnet werden können,
2. im Falle, dass der Forschungszweck die Möglichkeit der Zuordnung erfordert, die betroffene Person eingewilligt hat oder
3. im Falle, dass weder auf die Zuordnungsmöglichkeit verzichtet noch die Einwilligung mit verhältnismäßigem Aufwand eingeholt werden kann, das öffentliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens die schützenswerten Interessen der betroffenen Person überwiegt und der Forschungszweck nicht auf andere Weise zu erreichen ist."