Zwangsbehandlung von Betreuten verboten

Betreute dürfen nicht mehr gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden. Das hat der Bundesgerichtshof in zwei am Dienstag bekanntgegebenen Beschlüssen entschieden - und dabei eine Rolle rückwärts vollzogen.

Veröffentlicht:
Der Bundesgerichtshof gab seine bisherige Rechtsprechung auf, nach der der Betreuer eine Zwangsbehandlung durchsetzen konnte.

Der Bundesgerichtshof gab seine bisherige Rechtsprechung auf, nach der der Betreuer eine Zwangsbehandlung durchsetzen konnte.

© nicolasjoseschirado / fotolia.com

KARLSRUHE (mwo). Betreute dürfen nicht mehr gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden.

Die gesetzlichen Grundlagen hierfür reichen bislang nicht aus, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in zwei am Dienstag bekanntgegebenen Beschlüssen entschied.

Er gab damit seine bisherige Rechtsprechung auf, nach der der Betreuer eine Zwangsbehandlung durchsetzen konnte.

In beiden Fällen wehrten sich psychisch Kranke gegen ihre Behandlung in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung. Vor Gericht wollten die Betreuerinnen die Zwangsbehandlung dennoch durchsetzen.

Im Rahmen des Aufgabenbereichs (Wirkungskreis) der Gesundheitsfürsorge dürfe der Betreuer zwar gegebenenfalls auch anstelle des Betreuten einer ärztlichen Behandlung zustimmen, erklärte hierzu der BGH.

Nach früherer Rechtsprechung sei dies auch gegen den Willen der Betroffenen möglich gewesen.

Richterliche Genehmigung erforderlich

Davon rückte der BGH nun aber ab. Grund sind Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 2011 zum Maßregelvollzug. Darin hatten die Verfassungsrichter eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gefordert, in der die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung bestimmt sind.

Wegen ihrer besonderen Abhängigkeit von anderen bräuchten Gefangene im Maßregelvollzug eines besonders hohen grundrechtlichen Schutzes, so die Verfassungsrichter zur Begründung.

Dies hat der BGH nun auf Betreute übertragen. Die gesetzlichen Grundlagen für eine medizinische Zwangsbehandlung reichten hier auch heute nicht aus. Gravierende Eingriffe in die Grundrechte der Betreuten bedürften zumindest einer richterlichen Genehmigung.

Bislang sei die Zustimmung des Betreuungsgerichts aber nur bei risikoreichen Behandlungen, Sterilisationen oder de geschlossenen Unterbringung gefordert, nicht aber bei einer Zwangsbehandlung.

Az.: XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Europe Pharma Agenda: Impulses for Care with Pharmaceuticals in Germany

Unmet need in healthcare: ambiguity in the definition does not help setting priorities

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Marktfreigabe

EU-Kommission genehmigt Alzheimer-Wirkstoff Lecanemab

Digitalisierung im Gesundheitsbereich

KI im Praxiseinsatz – was bereits möglich ist

Lesetipps
Injektionsstift auf dunklem Hintergrund zur Verabreichung von Semaglutid bei Diabetikern mit pAVK.

© Kassandra / stock.adobe.com

Diabetes und pAVK

Semaglutid – eine neue Therapie für Patienten mit pAVK?

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung

Darstellung von Neisseria gonorrhoeae-Bakterien.

© iLexx / Getty Images / iStock

Antibiotikum einer neuen Klasse

Phase-III-Studie: Gepotidacin wirksam gegen Gonorrhö