Jordan-Connection

Fragwürdige Transplantationen

Erst war es nur Göttingen, dann Regensburg - der Organspende-Skandal zieht immer weitere Kreise. Pikant: Vieles davon ist seit sieben Jahren bekannt - und hat mit Jordanien zu tun.

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Stadt der Transplantationen: Amman mit dem römischen Theater.

Stadt der Transplantationen: Amman mit dem römischen Theater.

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GÖTTINGEN/REGENSBURG (pid). Die Aktivitäten von Transplantationsmedizinern der Regensburger Universitätsklinik am Jordan-Hospital in der jordanischen Hauptstadt Amman waren ethisch fragwürdig und mit deutschen Standards kaum zu vereinbaren.

Dies ergibt sich aus dem damaligen Bericht der Prüfungskommission, die nach einer unzulässigen Lebertransplantation in Jordanien im Jahr 2005 sowohl den einzelnen Fall als auch die deutsch-jordanische Kooperation insgesamt untersucht hatte.

Der Bericht war damals nicht veröffentlicht worden. Die Bundesärztekammer hat ihn jetzt auf eine entsprechende Anfrage hin Medienvertretern zur Verfügung gestellt.

Die Leberverpflanzung hatte damals der Regensburger Oberarzt vorgenommen, der 2008 Leiter der Transplantationschirurgie in Göttingen wurde.

Die Göttinger Universitätsmedizin hatte sich Ende vergangenen Jahres von dem Arzt getrennt, nachdem Ermittlungen ergeben hatten, dass es zu Manipulationen gekommen war. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn.

Der Oberarzt hatte gemeinsam mit seinem damaligen Chef, dem seit vergangener Woche beurlaubten Direktor der Chirurgie in Regensburg, Mitte 2004 die Kooperation mit der jordanischen Privatklinik aufgebaut.

Offiziell sollte sie dem Aufbau eines Leber-Transplantationsprogramms in Amman dienen, außerdem konnten die Regensburger Ärzte weitere Erfahrungen mit Leber-Lebendspende-Transplantationen sammeln.

Tatsächlich ging es offenbar nur um Letzteres: Kein jordanischer Arzt war zur Ausbildung in Regensburg, und auch in Amman gab es keine systematische transplantationschirurgische Schulung für die dortigen Ärzte.

Stattdessen beschränkten sich die beiden Regensburger Mediziner darauf, zumeist an Wochenenden nach Amman zu fliegen, dort einem Lebendspender ein Teilstück der Leber zu entnehmen und dieses einem Patienten einzupflanzen. Nach dem Eingriff kehrten die Operateure am selben oder am nächsten Tag nach Deutschland zurück.

Das ganze Programm war völlig ungeregelt. Es gab weder eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Kliniken noch eine wissenschaftliche Auswertung der Transplantationen.

Besonders problematisch war nach Ansicht der Prüfer, dass nicht auszuschließen war, dass es auch unfreiwillige Organspenden oder sogar Organhandel gegeben haben könnte.

Zwar soll es in Jordanien eine örtliche Ethikkommission gegeben haben, um die Herkunft der Spender zu überprüfen. Allerdings hatten die Prüfer Zweifel, ob diese nach den in Deutschland geltenden Standards arbeitet. Erstaunt waren sie über die Aussagen des Oberarztes hierzu.

Nach dessen Angaben gehörte auch ein Minister der Ethikkommission an, die im Übrigen an manchen Tagen mehr als 20 Spender-Empfänger-Paare anhöre.

Die Prüfer bezweifelten, dass sich die Regensburger Mediziner selbst mit den einzelnen Organspendern und den Empfängern befasst haben.

So sei bei einer Leber-Lebendspende-Transplantation, die sie Ende März 2005 bei einer Patientin in Jordanien vornahmen, die Herkunft des Organs unklar. Die Regensburger Klinik habe mal eine Schwester, mal eine Tochter als Spenderin genannt.

Nach dieser Transplantation waren die beiden Regensburger Chirurgen wie immer kurz darauf wieder abgereist. Als später bei der Patientin schwere Komplikationen auftraten, brach der Oberarzt seinen Familienbesuch in einem arabischen Land ab und veranlasste, dass die Leber eines in Wien verstorbenen Patienten nach Amman geschafft wurde.

Um den unzulässigen Organexport zu vertuschen, gab er fälschlicherweise gegenüber der für die Verteilung zuständigen Organisation Eurotransplant an, dass sich die Patientin in Regensburg befinde.

Abgesehen von diesem klaren Verstoß hätten nach Ansicht der Prüfer die Mediziner die Patientin vor dem Eingriff darüber aufklären müssen, dass sie beim Ausfall der Teil-Leber kein Organ von einem toten Spender aus dem Eurotransplant-Raum erhalten könnte.

Vor allem aber hätten sie etwas Grundsätzliches nicht beachtet: Mitarbeiter deutscher Kliniken dürften sich bei der Mitwirkung an Organtransplantationen im Ausland nicht damit zufrieden geben, "dass ihr naturwissenschaftlich-medizinisches Können und Wissen gefragt und erwünscht ist".

Vielmehr hätten sie dort nach den gleichen rechtlichen und ethischen Grundsätzen zu handeln wie in Deutschland.

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