Kurios

Nach Transplantationsskandal nun Plagiatsaffäre?

Ein Ärzte-Ehepaar im Fokus: Im Zuge des Organspende-Skandals wird gegen einen Transplantationschirurgen ermittelt. Jetzt hat auch seine Frau Ärger: Die Zahnärztin steht unter Verdacht, in ihrer Doktorarbeit von der Dissertation ihres Ehemannes abgeschrieben zu haben. Die "Ärzte Zeitung" hat die Arbeiten verglichen - und auffallend viele Ähnlichkeiten entdeckt.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Ein Plagiat ist Raub geistigen Eigentums. Im Fall des Ärztepaares aus Göttingen liegen frappierende Ähnlichkeiten zwischen ihren Doktorarbeiten vor.

Ein Plagiat ist Raub geistigen Eigentums. Im Fall des Ärztepaares aus Göttingen liegen frappierende Ähnlichkeiten zwischen ihren Doktorarbeiten vor.

© Getty Images / thinkstock

GÖTTINGEN. Der Skandal um den früheren Leiter der Transplantationschirurgie am Göttinger Universitätsklinikum zieht immer weitere Kreise.

Bereits seit mehreren Monaten ermitteln die Staatsanwaltschaften Braunschweig und Regensburg gegen den Mediziner, weil er während seiner Tätigkeit an der Uniklinik Regensburg und später in Göttingen Patienten bei der Vergabe von Spenderlebern bevorzugt haben soll.

Inzwischen ist zum Transplantationsskandal eine Plagiatsaffäre hinzugekommen: Seine Ehefrau, eine in Göttingen praktizierende Zahnmedizinerin, steht im Verdacht, große Teile ihrer Doktorarbeit aus der Dissertation ihres Ehemannes übernommen zu haben.

Die Promotionskommission der Medizinischen Fakultät der Universität Regensburg prüft derzeit, ob ihr der Doktortitel möglicherweise wieder aberkannt wird.

Leberkrebs in der Zahnmedizin?

Die Ehefrau des Transplantationschirurgen O. hat 2006 bei dem Direktor der Chirurgischen Klinik in Regensburg, Professor S., promoviert.

Dieser war 2004 auch der Doktorvater ihres Ehemannes gewesen, beide kennen sich von ihrer gemeinsamen Tätigkeit an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

Dort war O. ab 1995 tätig. 2001 wechselte er nach Göttingen, 2003 folgte er seinem MHH-Kollegen S. nach Regensburg, nachdem dieser dort Klinikdirektor der Chirurgie geworden war.

2004 promovierte O. mit einer 54 Seiten langen Dissertation, die auffallend viele Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler aufweist und sich inhaltlich mit Lebertransplantationen bei Patienten mit einem hepatozellulären Karzinom beschäftigt.

Zwei Jahre später legte auch seine Ehefrau eine 57 Seiten lange Dissertation unter dem Titel "Behandlungsstrategien beim Hepatozellulären Karzinom" vor, mit der sie den Doktorgrad der Zahnmedizin erwarb.

Bis dahin war Leberkrebs allerdings nicht gerade ihr Fachgebiet gewesen: Die heute 45-Jährige hat von 1989 bis 1997 Zahnmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover studiert und ist nach eigenen Angaben seitdem im niedergelassenen Bereich tätig.

Auffallend viele Übereinstimmungen

Beide Doktorarbeiten, die der "Ärzte Zeitung" vorliegen, weisen frappierende Ähnlichkeiten auf. Dies fängt schon beim Thema an: Beide Mediziner haben die Krankenakten von Leberkrebspatienten untersucht, die zwischen Januar 1995 und März 2002 in der Transplantationschirurgie des Göttinger Uniklinikums behandelt wurden.

In der Doktorarbeit des Chirurgen wurden die Daten von 84 Patienten ausgewertet, während in der Dissertation der Ehefrau 120 Patienten berücksichtigt sind. Auch bei der Gliederung, den Grafiken und der Literaturliste finden sich auffallend viele Übereinstimmungen.

Merkwürdig ist dabei, dass in der Literaturliste der Ehefrau die Doktorarbeit ihres Ehemanns nicht aufgeführt ist. Dafür erwähnt sie ihn in ihrer Danksagung "für seine unermüdliche Unterstützung bei der Verfassung der Arbeit".

Auch viele Formulierungen sind ähnlich. Beide Doktorarbeiten enden wortwörtlich mit dem gleichen Resümee: "Nach unseren, hier erhobenen Ergebnissen ist es nicht notwendig Erkrankte wegen ihres fortgeschrittenen Stadiums von vornherein von einer Lebertransplantation auszuschließen. Es erscheint eher so, dass bei erzielbarer Stabilität der Tumorerkrankung (…) von einer hohen Heilungschance durch eine Lebertransplantation auszugehen ist."

Ominöser Brief bringt Fall ans Licht

Die Uni Regensburg war durch einen ominösen Brief auf den Fall aufmerksam geworden. Darin bot die Zahnmedizinerin als vermeintliche Absenderin an, ihren Doktortitel freiwillig zurückzugeben, um etwaigen Plagiatsvorwürfen zuvorzukommen.

Auf Nachfrage habe ihr Rechtsanwalt erklärt, dass dieser Brief eine Fälschung sei, sagte der Sprecher der Uni Regensburg, Alexander Schlaak. Davon abgesehen sei es gar nicht möglich, einen Doktortitel zurückzugeben.

Inzwischen habe die Promotionskommission die Zahnmedizinerin um eine Stellungnahme gebeten. Daneben prüft der Ombudsmann der Hochschule ein eventuelles wissenschaftliches Fehlverhalten.

Dabei dürfte auch die Rolle des Doktorvaters S. beleuchtet werden. Der bayerische Wissenschaftsminister hatte diesen im August im Zuge der Ermittlungen zum Transplantationsskandal beurlaubt. Er stehe im Verdacht, seine Aufsichtspflicht verletzt zu haben.

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