Schmerzmedizin

Die Hürden zum Hanfanbau bleiben hoch

An der Versorgung von Schmerzpatienten mit Medizinalhanf wird sich nach dem Urteil zum Cannabis-Eigenanbau in der heimischen Wohnung so schnell nichts ändern. Eine zentrale Rolle spielt nach wie vor das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Von Jonas Tauber Veröffentlicht:
Schmerzpatienten können auch nach dem Urteil nicht ohne Weiteres Hanf zu medizinischen Zwecken anbauen.

Schmerzpatienten können auch nach dem Urteil nicht ohne Weiteres Hanf zu medizinischen Zwecken anbauen.

© Claus Mikosch / fotolia.com

Palliativmediziner begrüßen das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichtes zum Eigenanbau von Cannabis zu Therapiezwecken:

"Es ist schön, dass Cannabis entkriminalisiert wird und auch die Justiz sieht, dass es einen Nutzen haben kann", kommentierte etwa Professor Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD).

Das Gericht hatte am Dienstag den Klagen dreier Schmerzpatienten Recht gegeben, die eine Erlaubnis zum Cannabis-Eigenanbau in Privatwohnungen erstreiten wollen.

Die Kläger gehören zu den derzeit 270 Menschen in Deutschland, die über die Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verfügen, Medizinalhanf in der Apotheke zu erwerben. Allerdings werden die Kosten von mehreren Hundert Euro im Monat von den Krankenkassen meist nicht übernommen.

Cannabis gilt in Deutschland als illegales Suchtmittel. Wer Medizinalhanf für die Schmerztherapie einsetzen möchte, braucht dafür eine Erlaubnis des BfArM. Das Institut erteilt solche Ausnahmeerlaubnisse nach eigenen Angaben seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005. Seitdem hat die Behörde 516 Anträge registriert, 299 waren erfolgreich.

Zentrales Entscheidungskriterium ist laut BfArM, dass es keine Alternativen zum Medizinalhanf gibt. "Wesentliche Bedingung ist, dass zur Therapie der vorliegenden Erkrankung oder Symptomatik keinerlei zugelassene beziehungsweise verfügbare Arzneimittel zur Verfügung stehen", erläuterte Sprecherin Sabine Cibura auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung". Dafür müsse ein aussagekräftiger ärztlicher Bericht vorliegen.

Behörde hat das letzte Sagen

Über eine solche Erlaubnis verfügten die in Köln erfolgreichen Kläger. Ihren Folgeantrag auf Eigenanbau wegen der in den Apotheken anfallenden, hohen Kosten für den Medizinalhanf hatte die Behörde dagegen abgelehnt.

Nach dem jetzigen Urteil muss sie erneut darüber entscheiden - nach Ansicht des Gerichts ist eine erneute Absage so gut wie ausgeschlossen.

Allerdings bleibt es dem Bonner Institut überlassen, zu bestimmen, mit welchen individuellen Sicherheitsvorkehrungen Patienten die heimische Cannabis-Plantage vor dem unerlaubten Zugriff Dritter schützen müssen. Die Vorgaben müssen aber verhältnismäßig sein.

Das einzige in Deutschland zugelassene Arzneimittel auf Cannabisbasis ist laut BfArM seit 2011 Sativex ® des Anbieters Almirall. Ärzte können den Pflanzenextrakt für Schmerzpatienten mit Multipler Sklerose sowie bei Tumor-Schmerzen verschreiben, verdeutlicht BVSD-Fachmann Nadstawek.

Bei diesen Indikationen müssen die gesetzlichen Krankenversicherungen die Kosten dann übernehmen. Verschreiben Vertragsärzte das Mittel bei anderen Schmerzformen, können Patienten mit keiner Erstattung rechnen.

Das Problem bei Sativex ® ist nach Ansicht von Nadstawek die Dosierung. Ein einzelner Sprühstoß sei eine bereits recht hohe Dosis. Außerdem sei der hohe Alkoholgehalt ein Problem in der Kinder-Schmerztherapie.

Nadstawek plädiert deshalb für die Zulassung von Alternativen wie das synthetische Tetrahydrocannabinol Dronabinol. Dabei handelt es sich um ein seit 1998 in Deutschland erhältliches verkehrs- und verschreibungspflichtiges Rezepturarzneimittel. Da es nicht zugelassen ist, müssen die Krankenkassen es nicht übernehmen.

Für die Zukunft wünscht sich Nadstawek, dass die Cannabis-Forschung in Deutschland verstärkt wird, so dass die Wirkung bei anderen chronischen Schmerzformen wissenschaftlich untersucht wird.

Weil die pharmazeutische Industrie sich aber auf Opioide konzentriere, seien dafür öffentliche Mittel unabdingbar. "Solche Studien fehlen bisher, deshalb ist Sativex® nur bei MS- und Tumorschmerzen zugelassen", so der Schmerzexperte.

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