"Meine Beschäftigung mit Ludwig II. ist eine Lebensaufgabe"

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Von Werner Hacker

Niedergelassene Ärzte suchen in ihrer spärlichen Freizeit gerne Entspannung bei Hobbys rund um die Kultur. Ludwig Kirzinger mit Praxis in Starnberg-Söcking paßt so ganz und gar nicht in diese Schablone. Der Arzt und Psychotherapeut sieht in Kunst und Geschichte keine Steckenpferde. "Meine Beschäftigung mit Ludwig II. ist eine Lebensaufgabe", sagt der 44jährige.

Ein schmaler Waldweg am Starnberger See führt hinunter zur Gedenkstelle mit einem Kreuz im Wasser. Vor etwa 120 Jahren barg der Fischer Jakob Lidl genau hier die Leiche des Königs. Kirzinger: "Meine Forschungen sind der Wahrheit verpflichtet. Nach umfassenden Literaturstudien steht für mich zu 95 Prozent fest, daß Ludwig ermordet wurde."

Kirzinger betreibt seit Jahren eine detaillierte Quellenanalyse, um den zu seiner Zeit umstrittenen Monarchen zu rehabilitieren. Der Starnberger Arzt steht damit nicht alleine. Dem Freundeskreis des Königs gehören viele Persönlichkeiten an, darunter auch Professor Heinz Häfner, Gründer und langjähriger Leiter des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. Er stellte öffentlich fest: König Ludwig sei entgegen einer weit verbreiteten Meinung "nicht geisteskrank" gewesen.

Bei Symposien diskutiert der Freundeskreis - ein lockerer Verbund, kein eingetragener Verein - darüber, wie der Gesundheitszustand des Königs im letzten Lebensabschnitt wohl ausgesehen haben mag. Hatte er tatsächlich Halluzinationen? War er gemütskrank? Ein verwirrter Geist, wie ihn der Nervenarzt und königliche Obermedizinalrat Bernhard von Gudden beschreibt?

Dessen Gutachten gibt letztlich den Ausschlag, daß der König im Juni 1886 abgesetzt wird. Tage später treibt seine Leiche im Starnberger See. Seltsam ist, daß hier gleichzeitig mit Ludwig II. auch der Münchener Ordinarius Doktor Gudden zu Tode kam.

"Ludwig eckte bei den konservativen Mächten im Staate Bayern an, denn er war seiner Zeit weit voraus", sagt Kirzinger. "Er war eine außergewöhnlich intelligente Persönlichkeit und dabei Vorreiter auf vielen Gebieten, so zum Beispiel auch im Umwelt- und Naturschutz. Der König hat Technik und Künste gefördert. Seinem Volk gab er Arbeit und Brot."

Wer Ludwig als weltfremd beschreibe, stricke an einer Legende voller Halbwahrheiten. Der seine Zeitgenossen auch körperlich mit 1,93 Meter Größe überragende bayerische König sei zudem ein besonders friedliebender Mensch gewesen, so Kirzinger. "Ludwig II. hatte aber keine Chance, die beiden Kriege gegen Preußen und Frankreich zu verhindern."

An Kirzingers und damit fest an des Königs Seite steht Sandra Borkowsky. Die Mitarbeiterin im Festspielhaus Füssen, wo das sehenswerte "Ludwig-Musical" gezeigt wird, sammelt unermüdlich Dokumente, die belegen sollen, daß der König das Opfer einer Intrige wurde. "Ludwig als kranken Mann darzustellen, um ihm die Macht zu nehmen, ist den Gegnern letztlich gelungen", stellt sie fest.

Um ihn zu rehabilitieren, dient jetzt auch eine Eintrittskarte vom 12. Juni 1886, die Julius Desing ins Spiel brachte, früher Verwalter des Schlosses Neuschwanstein. "Auch dieses uns zugespielte Dokument kann das Gudden-Gutachten erschüttern", meint Borkowsky. "Wir wissen nun, daß ohne Kenntnis des Königs Tausende von Besuchern auf dem neuen Schloß Herrenchiemsee gewesen sind. Ludwig bemerkte Menschen in seinen Gemächern, die Geld gezahlt hatten, um eingelassen zu werden. Ihm jedoch wurden Halluzinationen unterstellt!"

Der Freundeskreis Ludwig II. ist sich sicher: Die vorgeblich Getreuen versuchten dem kurzsichtigen König einzureden, daß er sich täusche, wenn er auf fremde Leute in seinem Schloß zu sprechen kam. Kirzinger faßt den Stand der neuen Forschungen wie folgt zusammen: "Die königliche Ministerialbürokratie betrog Ludwig II. nach Strich und Faden."

Der Starnberger Arzt und die anderen Mitglieder im Freundeskreis König Ludwigs II. werden auch künftig alles daran setzen, das Ansehen des Königs aufzupolieren. "Wir stützen uns dabei auf seriöse wissenschaftliche Untersuchungen", sagt Kirzinger. Und dann fügt er eine rhetorische Frage an: "Wer weiß denn heute noch, daß seine Residenz das vergleichsweise schlichte Schloß Berg war und nicht das auf den Ansichtskarten gezeigte traumhaft schöne Neuschwanstein."

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