Hintergrund
Mechthild Bach - "Im Paragrafendschungel in den Tod getrieben"
Der Selbstmord der Ärztin Dr. Mechthild Bach hat auch viele Leser der "Ärzte Zeitung" aufgewühlt.
Veröffentlicht:"Man hätte Frau Dr. Bach danken sollen, statt sie im Paragrafendschungel in den Tod zu treiben. Das ist ein großer Verlust für uns Ärzte", schreibt empört der Palliativmediziner Dr. Mustafa Ayhan in einem Leserbrief.
Zur Erinnerung: Mit einer Überdosis Morphium soll Internistin Bach den Tod von 13 Patienten verursacht haben. Sie beteuerte stets ihre Unschuld.
Beim Prozess vor dem Landgericht Hannover hieß es in der vergangenen Woche, sie müsse möglicherweise mit einer Verurteilung wegen Mordes aus Heimtücke rechnen. Jetzt hat sich die Ärztin umgebracht.
Viele Leser der "Ärzte Zeitung" reagieren erschüttert. "Als Palliativmediziner", so Ayhan, "ist man jeden Tag mit dem Risiko konfrontiert, dass man beim Versuch, die Leiden der Patienten zu minimieren, an sehr hohe Dosen Opioid-Analgetika greifen muss und diese bei den sowieso sehr geschwächten Patienten eine Atemdepression mit Todesfolge auslösen können. Meiner Meinung nach trifft die verstorbene Ärztin keinerlei Schuld."
Mit Blick auf die Folgen des Prozesses zeigt sich Ayhan pessimistisch: "Und wozu führt nun das ganze?", fragt er.
"Ich kann es schon voraussehen: Aus lauter Angst, mit einer solchen Anklage konfrontiert zu werden, wird es den meisten Ärzten nun leichter fallen, die Patienten zu niedrig zu dosieren. Wen kümmert's denn, ob diese todkranken Menschen etwas mehr leiden müssen? Wer kriegt denn schon mit, ob ein Todkranker, der sich kaum noch ausdrücken kann, etwas mehr leiden muss, dafür aber ein paar Tage später in den Tod geht?"
Aufgewühlt reagiert auch unser Leser Dr. Roland Sautter: "Sollen Kollegen auf Palliativstationen nur noch in Panik maximal defensiv arbeiten?" fragt er.
"Mit Anwälten, Psychologen, Theologen, Soziologen, Dokumentationsspezialisten auf Schritt und Tritt bei jeder Visite und Maßnahme?"
"Vielleicht hat Frau Dr. Bach die Verrechtlichung der Medizin zu wenig im Blick gehabt und war durch jahrelange 'Übung' in Grenzsituationen bei hoffnungslosen Zuständen zu individualisiert in ihrem Medizinverständnis, dass sie über Durchschnittsdosierungen und ähnliches zu wenig nachdachte", so Sautter weiter.
"Aber dass sie mordend über die Station ging? Ein extremes Unding, wer soll sich das vorstellen können?"
"Die Justiz würde besser daran tun im Vorfeld die Mediziner zu unterstützen und einen möglichst sicheren Rahmen für deren Tätigkeit zu schaffen", schreibt unser Leser Michael Meiser. "Stattdessen werden Hexenjagden wie diese möglich. Sehr tragisch", bedauert er.
"Es bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft jetzt mit sich selbst ins Gericht geht", so P. A. Oster. Die Justiz sei weit davon entfernt, sich in das hippokratische Gedankengut eines Arztes hinein zu denken.
Dipl.-Ing Ulrich Kabis weiß als chronischer Schmerzpatient und Leiter einer Selbsthilfegruppe, "wie hoch die Hürden des Gesetzes liegen, und welche Probleme gute Mediziner und Schmerztherapeuten haben, um ihren Patienten wirklich zu helfen".
Es sei ein jahrelanger Kampf, die richtige Behandlung als chronischer Schmerzpatient zu erhalten, "aber noch viel schlimmer, eventuell alle tatsächlich zur Verfügung stehenden Medikamente nutzen zu dürfen!", erläutert er.
Sein kritisches Fazit: "Ernst genommen werden die wenigsten Schmerzpatienten, weil sie in der Regel schwierig sind! Doch wenn ein Arzt wirklich mal Mut beweist, dann schiebt die Krankenkasse den Riegel vor, beispielsweise bei einem Alternativmedikament oder einer solchen (Alternativ- d. Red.)-Behandlung. Selbst kostengünstigere Lösungen werden abgeschmettert, nur weil sie angeblich nicht verordnungsfähig sind", berichtet Kabis.
Frustriert zeigt sich schließlich auch Dipl.-Med. Roland Fuchs: "Ärzte sind seit Jahren Spielball und Freiwild der Nation!", sagt er.
"Die traurige Reaktion der ehemaligen Kollegin ist eigentlich ein Fingerzeig auf Staat, Justiz und Gesellschaft."