Mit Pflanzengift auf Hexenflug

Am 30. April ist Walpurgisnacht. Hexen und Zauberer treffen sich allerorten zum Hexenfest. Hexen waren zunächst weise Frauen und Heilerinnen. Erst mit der Erstarkung des Christentums wurden sie verteufelt - und mit ihnen einige der Heilpflanzen.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:
Blüte von Atropa belladonna, Bilsenkraut-Blüte und Gemeiner Stechapfel (v. li.)

Blüte von Atropa belladonna, Bilsenkraut-Blüte und Gemeiner Stechapfel (v. li.)

© Ursula Armstrong

Spätestens seit Harry Potter sind Hexen wieder "In". Sie haben inzwischen auch wieder einen weitgehend guten Ruf. Das war bekanntlich nicht immer so.

Ursprünglich waren Hexen in Europa jedoch sehr angesehen. Das Wort "Hexe" stammt von althochdeutschen "Hagazussa" (Zaunreiterin). Das war ein durchaus positiver Begriff und bezeichnete wohl eine Frau, die sich im Waldgebüsch aufhält und Kräuter sammelt.

Anekdote

Reinheitsgebot hin oder her: Früher setzten die Bierbraucher oft auch auf Bilsenkrautsamen, um ihre Getränke berauschender zu machen.

Auf ein damaliges Anbaugebiet von Bilsenkraut geht zum Beispiel der Namen Pilsen zurück. Bilsenkrautbier wurde allerdings 1649 von der bayerischen Polizei offiziell verboten - das erste Drogenverbot in Deutschland.

Doch mit der Erstarkung des Christentums änderte sich das. Zur Zeit der so genannten "Kleinen Eiszeit" vom frühen 15. Jahrhundert bis zum 17. Jahrhundert kam es in Europa zu Ernteausfall, Hungerkatastrophen und Seuchen. Man suchte nach Schuldigen. Zunächst mussten christliche Priester als Sündenböcke herhalten. Dagegen verwahrte sich die Kirche.

Nachtschattengewächse waren Modedrogen

So wurde stattdessen verbreitet, dass die alten heidnischen Bräuche der Grund für Hunger und Seuchen seien, erzählen die Biologen Dr. Hilke Steinecke, Kustodin des Palmengartens in Frankfurt am Main, und Dr. Peter Schubert von der Universität Mainz in "Druidenfuß und Hexensessel" (Sonderheft 38. Palmengarten der Stadt Frankfurt am Main, 2004).

Man wandte sich daraufhin gegen die weisen Frauen, die zwar hoch angesehen, aber auch gefürchtet waren. Das Wort "Hexe" stand fortan für "schädigende Zauberin" (wobei es sich bei Hexen nicht nur um Frauen handelte). Es kam vor allem in West- und Mitteleuropa zu den Verfolgungen, die wohl 40.000 bis 60.000 Todesopfer forderten.

In Deutschland wurde erst 1775 zum letzten Mal offiziell einer Hexe der Prozess gemacht.

Mit den weisen Frauen wurde auch so manche wichtige Heilpflanze verteufelt. Vor allem die giftigen wurden als "Hexenpflanzen" stigmatisiert. Allen voran die Nachtschattengewächse, die vorher so etwas wie Modedrogen gewesen waren, wie die beiden Biologen berichten.

Mit ihnen hatte man sich berauscht und die Härte des Alltags vergessen können. Doch nun war das Teufelszeug, und Frauen, die Nachtschattengewächse besaßen oder sie gar einsetzten, wurde der Prozess gemacht. Es wurde kolportiert, die bösen Hexen kochten aus diesen giftigen Pflanzen eine Flugsalbe: Bestreiche man sich und einen Besenstiel mit dieser Salbe, könne man fliegen.

Die bekanntesten Hexenpflanzen sind die Tollkirsche, das Bilsenkraut und der Stechapfel. Sie werden auch heute noch medizinisch genutzt. Vor allem aus der Homöopathie sind sie nicht wegzudenken. Alle drei Pflanzen sind extrem giftig.

Bei der Tollkirsche (Atropa belladonna) weist schon der botanische Name auf ihre extreme Giftigkeit hin. Denn er erinnert an Atropos, eine der drei griechischen Schicksalsgöttinnen. Atropos ist die Unerbittliche, die den Lebensfaden abschneidet.

Im Altertum wurde die Tollkirsche von Frauen dazu genutzt, die Pupillen zu erweitern, um besonders sympathisch auf Männer zu wirken - deshalb "belladonna", schöne Frau. Schon leichte Tollkirschen-Vergiftungen führen zu Sinnestäuschungen.

Das steht möglicherweise hinter den Besenritten, von denen verurteilte Hexen berichteten. Denn die Hexenpflanzen wurden in den Prozessen auch von den Peinigern selbst eingesetzt, um Geständnisse zu bekommen.

Zehn der schwarzen Beeren können sogar einen erwachsenen Mann töten. Ebenfalls als "Wahrheitsdroge" wurde das Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) genutzt. Denn die darin enthaltenen Solanaceengifte rufen Gefühle des Fliegens hervor und erotische Träume, die als sehr echt erlebt werden.

Stechapfel-Rausch kostete vielen Menschen das Leben

Der Name "Bilsenkraut" ist sehr alt und findet sich bei allen nordeuropäischen Indogermanen. Das Wort scheint auf eine indogermanische Wurzel "bhel", Fantasie, zurückzugehen. Bilsenkraut gehört zu den ältesten Giftpflanzen, die die indogermanischen Völker benutzten, berichtet Gerhard Madaus in seinem "Lehrbuch der biologischen Heilmittel".

Auch den Babyloniern, Ägyptern, Indern, Persern und Arabern war es bekannt und wurde von ihnen als Heilmittel verwandt.

Auch die dritte der Hexenpflanzen, der Gemeine Stechapfel (Datura stramonium), ist eine uralte Heil- und Zauberpflanze und war ein beliebtes Rauschmittel. Selbst für Mor-de wurde der Stechapfel gebraucht. So hat das Staatliche Chemische Laboratorium in Indien zwischen den Jahren 1950 bis 1965 fast 3000 Todesfälle durch Datura-Arten untersucht, heißt es bei Madaus.

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