Von der reichen Kunst eines armen Mannes
Sein künstlerisches Werk ist in den 35 Jahren seines Aufenthalts in der psychiatrischen Heilanstalt Waldau bei Bern enstanden: Die Arbeiten des Schweizer Künstlers Adolf Wölfli stehen in diesem Jahr im Mittelpunkt der Internationalen Tage in Ingelheim. Bei der Erschließung der Welt außerhalb seiner Zelle kannte sein Wille zur Gestaltung keine Grenzen.
Veröffentlicht:INGELHEIM. Er sei ein "Natuhrvorscher", "Gäärtner", "Tohtten-Gräber", ein Dichter, Schreiber, Zeichner, Melker, Fischer, Schiffer und "Componist", charakterisierte sich Adolf Wölfli selbst. In seinem Gestaltungswillen kannte der Schweizer keine Grenzen.
Wölfli-Ausstellung im Alten Rathaus Ingelheim
Die Ausstellung mit Werken Adolf Wölflis ist noch bis zum 10. Juli im Alten Rathaus Ingelheim am Rhein, François-Lachenal-Platz 1, zu sehen, und zwar von Dienstag bis Freitag zwischen 11 und 19 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt beträgt sechs Euro, Öffentliche Führungen gibt es jeweils am Donnerstag um 19 Uhr sowie am Samstag um 18 Uhr.
Der Katalog zur Ausstellung kostet 29,80 Euro. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.internationale-tage.de
Sein künstlerisches Werk, entstanden während seines 35 Jahre währenden Aufenthalts in der psychiatrischen Heilanstalt Waldau bei Bern, umfasst 25 000 Seiten mit Zeichnungen, Gedichten, Texten, Collagen, Notationen und Zahlen.
Eine Auswahl seines Oeuvres ist derzeit im Rahmen der vom Arzneimittel-Hersteller Boehringer Ingelheim veranstalteten Internationalen Tage im Alten Rathaus der Rheinstadt zu sehen.
Der Vater ist alkoholsüchtig
Adolf Wölfli wird 1864 als jüngstes von sieben Kindern in Bowil (Kanton Bern) geboren. Als der alkoholsüchtige Vater 1870 die Familie verlässt, muss die Mutter als Wäscherin den Lebensunterhalt für ihre Familie allein verdienen. 1873 stirbt sie.
Fortan lebt Adolf unter schwersten Bedingungen als so genannter Verdingbub bei verschiedenen Bauernfamilien in Schangnau, später arbeitet er als Knecht und Handlanger.
1890 wird Wölfli wegen versuchter Notzucht an einem 14-jährigen und einem fünfjährigen Mädchen verhaftet und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Drei Jahre nach seiner Entlassung wird er dann rückfällig und zur Untersuchung seiner Zurechnungsfähigkeit in die Irrenanstalt Waldau eingeliefert. Die Diagnose: Schizophrenie. Bis zu seinem Tod 1930 wird Wölfli die Anstalt nicht mehr verlassen.
In den nächsten 35 Jahren entwirft Adolf Wölfli ein Gesamtkunstwerk, das seines gleichen sucht. 25 000 meist großformatige und zu Heften gebundene Seiten sind überliefert.
Im Geiste reist er um die Welt und darüber hinaus in den Kosmos, wobei er sich ebenso eine neue Kindheit wie eine waghalsige Zukunft erschafft.
Rätselhafte Visionen
Die Welt außerhalb seiner Zelle erschließt er sich mittels Atlanten, Reisebüchern und Illustrierten, sie dient ihm als Vorlage zur Konstruktion einer eigenen bis heute rätselhaften Vision und imaginären Realität.
1928, genau zwei Jahre vor seinem Tod, beginnt er mit dem "Trauer-Marsch". Darin nimmt er die zentralen Motive seiner Welt noch einmal in konzentrierter Form auf
Die Ausstellung im Alten Rathaus Ingelheim, entstanden in Zusammenarbeit mit der Adolf-Wölfli-Stiftung und dem Kunstmuseum Bern, präsentiert Beispiele aus allen Schaffensperioden.
Darunter etwa Bleistiftzeichnungen, Illustrationen, Zahlen- und Notenbilder, Erzählungen, Lieder, Rätsel und Collagen Wölflis, kurz: "die reiche Kunst eines armen Mannes", wie die Initiatoren der Schau formulieren.
Sie findet im Rahmen der Internationalen Tage von Boehringer Ingelheim statt.