Tränen, Trauer, Tod und Teufelswerk
Das Museum für Sepulkralkultur in Kassel hat nicht nur einen sperrigen Namen, sondern auch ein sperriges Thema: den Tod. Die Macher schaffen es seit 20 Jahren, die Besucher mit Ausstellungen zu Sterben und Trauer zu beeindrucken.
Veröffentlicht:KASSEL. Tränen, Tod und Teufelswerk - seit 20 Jahren beschäftigt sich das Museum für Sepulkralkultur in Kassel mit dem Thema Tod in all seinen Facetten. Es ist das einzige Museum seiner Art in Deutschland und wohl auch weltweit.
"Es gibt noch ein paar ähnliche in den USA, aber die werden von Bestattungsunternehmen finanziert", sagt Museumsleiter Reiner Sörries. Der Zungenbrecher-Name kommt übrigens vom lateinischen Wort "sepulcrum", was Grab oder Grabmal bedeutet.
Der gebürtige Franke Sörries ist evangelischer Theologe und Kunstgeschichtler und leitet das Haus seit der Eröffnung. Mit dem Wandel in der Welt und in der Bestattungskultur habe sich in den 20 Jahren auch das Museum verändert, sagt der 59-Jährige. "Wir müssen die Fragen stellen, die sich die Menschen stellen."
Rückblende: Mitte der 1980er Jahre entsteht in Deutschland die Hospizbewegung und damit ein anderer Umgang mit Sterben und Tod. "Ohne diese Veränderung wäre das Museum politisch nicht durchsetzbar gewesen", sagt Sörries.
Gegründet wurde das Sepulkralmuseum (und auch das "Zentralinstitut für Sepulkralkultur") damals vom Architekten Hans-Kurt Boehlke. Eröffnet wurde es am 24. Januar 1992 im Beisein des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.
Menschen wollen mehr über den Tod wissen
Zunächst habe man sich dem Thema vorsichtig und über Kunst und Kulturgeschichte genähert und schöne Särge oder Trauerschmuck gezeigt, erinnert sich Sörries. "Der größte Teil des Museums ist bis heute dem Thema Grabmal vorbehalten."
Erst mit der Ausstellung "Last Minute" 2000/2001 habe sich dies geändert. "Die Menschen wollten mehr über den Tod wissen." Dies gelte bis heute. "Die Menschen interessieren weniger alte Särge, sondern das, was sie selbst betrifft." Zum Beispiel die Frage: Was ist Sterben? 2004 kam die Ausstellung "Schluss mit lustig".
"Wir konnten diesem Thema dann auch die satirische Seite abgewinnen und wollen auch Gelächter im Museum hören", sagt Sörries. Das kam an, und die Ausstellung war ein großer Erfolg.
2009 waren dann erstmals Leichen im Sepulkralmuseum zu sehen - genauer gesagt: Mumien. "Man sieht, wie lange wir dafür gebraucht haben", sagt Sörries. Eine weitere Steigerung sei wohl kaum möglich.
Medizinischer und philosophischer Umgang mit dem Thema
Dennoch liege noch eine "ungeheure Themenvielfalt" vor dem Museum: Die neue Sonderausstellung "Galgen, Rad und Scheiterhaufen - Einblicke in Orte des Grauens", beschäftigt sich mit den Richtstätten des Mittelalters und ist am 28. Januar eröffnet worden.
Weiter könne das Thema auch medizinisch oder philosophisch angegangen werden. "Was passiert biologisch beim Sterben?" oder "Selbsttötung - darf ich das?" könnten künftige Ausstellungen heißen.
Zudem könnte das Phänomen untersucht werden, dass Menschen öffentlich trauern um andere, die sie gar nicht persönlich gekannt haben, wie es beim Loveparade-Unglück in Duisburg war oder auch beim Selbstmord von Fußball-Torhüter Robert Enke, der große Betroffenheit ausgelöst hatte.
Für das Museum wünsche er sich, gesellschaftlich noch breiter aufgestellt zu sein, sagte Sörries. "Ich wünsche mir, dass in den nächsten fünf Jahren auch ein Verband der Juden und der Muslime zu den Trägern des Museums gehören." Derzeit sind dies unter anderem außer dem Bund, dem Land Hessen und der Stadt Kassel auch die evangelische und die katholische Kirche.
Bis zu 24 000 Besucher pro Jahr
Zuletzt bewegten sich die Besucherzahlen des Museums zwischen 17 000 und 24 000 pro Jahr. Das könnten mehr werden, wenn nebenan erst einmal die Brüder-Grimm-Welt eröffnet hat, die 2014 fertiggestellt sein soll.
Ein Meilenstein war übrigens auch die kindgerechte Ausstellung "Erzähl mir was vom Tod" (2003). "Die Folge war, dass Kinder hier nun regelmäßig ihren Geburtstag feiern. Das hätten wir uns vor 20 Jahren nicht träumen lassen", sagt Sörries. (dpa)