Adipositas: Kritik an Nahrungsindustrie

SAN FRANCISCO (dpa). Eine Milliarde Menschen weltweit hungern, zwei Milliarden haben Übergewicht. Forscher schreiben den Riesen der Lebensmittelindustrie eine Mitschuld an diesem Ungleichgewicht zu.

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In mehreren Beiträgen im Fachjournal "PLoS Medicine" fordern sie, Gesundheitsrisiken der industriell hergestellten Lebensmittel und Getränke stärker zu prüfen und bekannt zu machen.

Zunehmender Verzehr von in Fabriken hergestellten Lebensmitteln trage zur Ausbreitung von Übergewicht und Diabetes bei. Nach Angaben der WHO steht das Risiko, an Folgen von Übergewicht zu sterben, an fünfter Stelle weltweit nach anderen Risiken.

Übergewicht bei Kindern sei eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit im 21. Jahrhundert.Diese Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt ein Autorenteam der beiden US-Institute Public Health Advocacy Institute in Boston (Massachusetts) und der Berkeley Media Studies Group (Kalifornien).

Eine Ursache seien zuckerhaltige Getränke. "Zwischen 1977 und 2004 haben Kinder in den USA ihre Kalorienaufnahme mehr als verdoppelt, im Jahr 2004 stammten 13 Prozent der Kalorien von zuckerhaltigen Getränken", heißt es.

Ähnlichkeiten zur Tabakindustrie?

Die süßen Drinks hätten zwischen 1977 und 2007 zu einem Fünftel zur Gewichtszunahme bei US-Bürgern beigetragen.

Die Wissenschaftler analysieren auch Programme, die Getränkehersteller gestartet haben. Diese ähnelten Kampagnen der Tabakindustrie, so der Vorwurf, und zielten zu sehr auf die Eigenverantwortung der Verbraucher ab.

Dazu gehöre "Live Positively" von Coca-Cola in den USA. Zwar zeigten Labels nun, wie viele Kalorien die verschiedenen Produkte der Firma enthalten. So solle es für die Verbraucher leichter sein, "Entscheidungen zu treffen, und ein gesundes, aktives Leben zu führen" - Zitat Coca-Cola.

Die Autoren kritisieren aber, dass das Unternehmen so von seiner Verantwortung ablenke, die es durch die Vermarktung der zuckerhaltigen Getränke habe.

Nach Angaben eines deutschen Coca-Cola-Sprechers gehört "Live Positively" (in Deutschland: "Lebe die Zukunft") zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns.

Big Food umgehen

"Zu einer gesunden Lebensweise zählen eine ausgewogene Ernährung, zu der alle Lebensmittel wie auch Softdrinks gehören können, sowie ausreichend Bewegung", so der Sprecher.

"Wir bieten eine breite Palette alkoholfreier Getränke an, die Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung sein können, zunehmend auch Produkte ohne Zucker oder Kalorien."

Drei Möglichkeiten stünden zur Verfügung, um mit "Big Food" umzugehen, schreiben Marion Nestle (New York University, USA) und David Stuckler (Cambridge University, Großbritannien) in "PLoS Medicine".

Erstens: Selbstregulierung und keine Einmischung vonseiten der Zuständigen für die öffentliche Gesundheit. Außerdem Vertrauen darauf, dass der Verbraucher nicht zu gesundheitsschädigenden Nahrungsmitteln greift.

Zweitens: öffentliche Partnerschaften mit der Industrie, um gesündere Produkte herzustellen und zu vermarkten. Drittens: eine kritische Auseinandersetzung - denn die Interessenkonflikte seien für "Big Food" zu groß, es gehe schließlich um Profite.

Ernährung zum Gesundheitsthema machen

Würden Studien zusammen mit der Industrie finanziert, so sei die Wahrscheinlichkeit vier bis acht Mal höher, dass die Ergebnisse im Sinne der Unternehmen interpretiert werden können.

Die Herausgeber von "PLoS Medicine" haben sich für die dritte Variante entschieden - und blasen Alarm. Sie wollen sich nicht auf die Selbstregulation der Unternehmen verlassen.

"Public Health-Experten müssen erkennen, dass der Einfluss von "Big Food" auf die globale Ernährung ein Problem darstellt." Verantwortliche für Gesundheit sollten dem Thema Ernährung eine ebenso hohe Priorität einräumen wie dem Kampf gegen HIV/Aids, Infektionen und andere Krankheiten.

Initiativen könnten sich zum Beispiel gegen Werbemaßnahmen speziell für Kinder richten, auf bessere Ernährungsrichtlinien für Schulmahlzeiten abzielen oder auch auf Steuern auf zuckerhaltige Getränke, heißt es in "PLoS Medicine".

Coca-Cola halte Steuern nicht für ein geeignetes Instrument, da es die Hauptursache für Übergewicht, das Missverhältnis zwischen Kalorienaufnahme und Kalorienverbrauch, nicht angehe, sagte der Sprecher des Unternehmens dazu.

Es gebe keine an Kinder unter zwölf Jahren gerichteten Marketingaktivitäten und eine Richtlinie, nicht an Grundschulen zu verkaufen

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