Zwischen Startblock und Medizinlehrbuch
Helge Meeuw ist der beste Rückenschwimmer Deutschlands - und bei den Olympischen Sommerspielen dabei, die heute in London starten. In den Trainingspausen büffelt der 27-Jährige für sein Medizin-Studium. Beide Professionen haben vieles gemein, sagt er.
Veröffentlicht:LONDON. Nein, das Jahr 2012 hat für Helge Meeuw nicht gut begonnen. Nachdem er bereits 2011 wegen einer Viruserkrankung pausieren musste, warf ihn ein neuerlicher Infekt zurück. Sogar seine Olympia-Qualifikation war zeitweise in Gefahr.
Doch der 27-Jährige hat schon ganz andere Herausforderungen gemeistert. "Als Sportler denke ich positiv", sagt er. "Ich kann nicht mehr tun als stets wiederaufzustehen und weiter an meiner Form zu arbeiten."
Seit 2006 studiert Helge Meeuw in Magdeburg Medizin. Normalerweise bedeutet das - neben den Vorlesungen, Seminaren und Praktika - zwei bis drei Stunden Lernen pro Tag.
Vorher und nachher zieht er seine Bahnen im Becken. Und dann ist da noch seine Familie - mit seiner Frau Anja Buschschulte, mehrfache Welt- und Europameisterin im Schwimmen, hat Meeuw eine anderthalbjährige Tochter. Zeit für Partys, für das Studentenleben, bleibt da nicht.
"Als Leistungssportler hatte ich schon zu Schulzeiten nie so viel Freizeit wie andere", erzählt Meeuw. "Feiern kann ich immer nur nach den Jahreshöhepunkten und das meistens mit der Mannschaft noch vor Ort.
Im Alltag ist dafür keine Zeit." Die Herausforderung liege darin, eine Balance zu finden zwischen Sport, Studium und Familie und sich von den vielen Anforderungen nicht zerreiben zu lassen.
Höhepunkt seiner Karriere war das Jahr 2009
Helge Meeuw ist 1984 in Wiesbaden geboren. Seine Eltern Folkert Meeuw und Jutta Weber waren ebenfalls Spitzenschwimmer, beide gehörten 1972 in München zum Kader der deutschen Olympia-Mannschaft.
Zeitweise lebte die Familie in Namibia, bevor sie 1989 nach Wiesbaden zurückkehrte, wo Sohn Helge 2004 sein Abitur absolvierte. Zu dieser Zeit war er bereits Leistungsschwimmer, unter anderem trat er 2003 bei den Weltmeisterschaften in Barcelona an.
Sein Durchbruch gelang ihm 2004, als er über 200 Meter Schmetterling Deutscher Meister wurde. Ein Jahr später errang er den nationalen Titel über 100 Meter Schmetterling und wurde bei den Weltmeisterschaften in Montreal über 200 Meter Schmetterling Siebter.
2006 gewann er bei den Kurzbahnweltmeisterschaften in Shanghai über 50 und 100 Meter Rücken jeweils die Bronze-Medaille, sammelte bei den Deutschen Meisterschaften sagenhafte fünf Titel und setzte bei den Schwimm-Europameisterschaften in Budapest mit der Goldmedaille über 50 Meter Rücken einen weiteren Titel drauf.
Höhepunkt seiner Karriere war das Jahr 2009, als er bei der WM in Rom zwei Silbermedaillen errang, über 100 Meter Rücken und mit der 4x-100 Meter-Lagenstaffel.
Seine aufsteigende Form setzte er nun bei der EM in Debrecen (Ungarn) unter Beweis, wo er die Silbermedaille über 100 Meter erschwamm und auch die Olympianorm schaffte.
Parallel zu seiner sportlichen Karriere trieb Meeuw sein Medizinstudium voran. 2010 bestand der angehende Arzt sein Physikum mit der Note zwei.
Privilegien genießt er während seines Studiums nicht, das ist ihm wichtig, nur dass er Prüfungen, die er aufgrund von Wettkämpfen verpasst, gemeinsam mit jenen Kommilitonen, die beim ersten Mal durchgefallen sind, nachholen darf.
Welche Fachrichtung er einmal einschlagen wird, weiß er noch nicht, für eine Festlegung sei es ihm noch zu früh.
"Meine Mutter ist niedergelassene Allgemeinärztin, ich kann mir zumindest vorstellen, das auch einmal zu wagen. Da ich aus einer Ärzte-Familie komme, weiß ich jedoch, dass auch andere Fachrichtungen spannend sein können."
Effizienz des Sports hilft beim Studieren
Studium und Sport liegen für Helge Meeuw nah beieinander. Der stete Ehrgeiz, sagt er, bringe ihn nach vorn.
"Es gibt keine Wunder. Weder im Sport noch im Studium. Ich schwimme nicht schnell, wenn ich nicht trainiert habe, und bestehe kein Testat, wenn ich nicht gelernt habe. Die Effizienz aus dem Sport hilft mir auch in Studienphasen."
Was Meeuw in seiner Karriere als Leistungssportler noch fehlt, ist eine Einzelmedaille bei Olympia. Die Spiele in London wären nach 2004, wo er mit der Lagen-Staffel Silber gewann, und 2008 schon seine Dritten.
"Ich habe zweimal nicht so abgeschnitten, wie ich es mir erhoffte", sagt der 1,77 Meter große Athlet.
"Das will ich ändern. Ob ich danach noch sportliche Ziele verfolge, werde ich definitiv erst nach den Spielen entscheiden. Ziel ist aber auch, das Studium zu beenden und mich mehr meiner Familie zu widmen."