Echoortung
Sehen mit dem Ohr
Die Umgebung mit dem Schnalzen der Zunge orten - das hat Dave zufällig gelernt. Durch das Echo erkennt der Blinde, ob eine Treppe oder eine Lampe im Weg ist. Mit seinem Talent ist er inzwischen beliebter Gast in TV-Shows.
Veröffentlicht:MARBURG. "Ich kann hören, wie die Welt aussieht", sagt Dave Janischak und schnalzt leise. Der 16-jährige Schüler der Marburger Blindenstudienanstalt ist seit seinem dritten Lebensjahr völlig blind.
Er orientiert sich aber nicht nur mit seinem weißen Stock. Er beherrscht auch die Technik der Echoortung, wie man sie von Fledermäusen kennt.
Wenn er über das Gelände der Blindenstudienanstalt geht, ortet er seine Umgebung durch Schnalzen mit der Zunge. Das zurückgeworfene Echo zeigt ihm die dicke Eiche an der Treppe ebenso wie die schmale Lampe am Wegesrand.
Dave Janischak hat die ungewöhnliche Technik schon als Kleinkind durch einen Zufall gelernt. Zunächst verwendete er sie nur, um festzustellen, ob eine Tür offen oder geschlossen war. Heute benutzt er sie ganz automatisch im Alltag.
Das hat für ihn viele Vorteile: "Ich bekomme viel mehr mit", sagt der 16-Jährige: "Ich weiß, wie die Häuser am Straßenrand ungefähr aussehen. Ob sie Vorgärten haben, ob dort Autos, Zäune oder Büsche stehen."
Und weil er nach Angaben der Blindenstudienanstalt der einzige blinde Anwender dieser Technik in Deutschland ist, läuft er inzwischen regelmäßig mit ganzen Kamerateams über den Schulhof.
Kein Ersatz für den Taststock
Bei Jörg Pilawa wurde er unter sieben Kandidaten gar zu "Deutschlands Superhirn" gewählt, weil er unter der staunenden Beobachtung von Til Schweiger und Boris Becker mit der Echoortung Gießkannen, Fahrräder, Kerzenständer, Sessel und Gitarren erkennen konnte.
Seit der Sendung gibt es an der Blindenstudienanstalt eine AG, damit auch andere Schüler die Technik erlernen können. Sich mit dem Taststock zu orientieren, ist allerdings deutlich einfacher.
Und auch Dave kann nicht darauf verzichten. Schließlich schützt ihn die Echoortung nicht vor unerwarteten Baugruben. Er kann nämlich nur die Dinge erkennen, die sich in seinem Gesichtsfeld befinden.
Vor fünf Jahren ist er aus Nürnberg in dieses älteste Blindengymnasium Deutschlands gekommen.
Viele Talente wurden dort bereits entdeckt: Verena Bentele holte zwölfmal Gold bei den Paralympics, Ricarda Ramünke wurde als Nachwuchsschauspielerin preisgekrönt, Sabriye Tenberken gründete eine Blindenschule in Tibet, Kevin Barth gewann als 13-Jähriger einen Bambi für seine Fußballreportagen und die Blista-Mannschaft wurde vor wenigen Tagen Deutscher Meister im Blindenfußball.
"Wer zu uns kommt, will etwas im Leben erreichen", sagt Blista-Sprecher Rudi Ullrich. An der Schule werden aber auch Sportarten trainiert, die man Blinden nicht zutraut.
Sie lernen Reiten, Schwimmen, Radfahren, Rudern und Judo. Aber auch Surfen oder Ski fahren wird in Begleitung von Sehenden geübt.