Klassik für die Kleinsten

Babykonzerte boomen

Nachwuchsoffensive bei den Allerjüngsten: Babykonzerte sind im Trend. Immer mehr Orchester bieten Profi-Musik für Neugeborene an. In Heilbronn gab es Johann Melchior Molters Sinfonie Nr. 24 in D-Dur.

Von Simon Leißler Veröffentlicht:
Der kleine Niklas und die großen Musiker: Mit seinen Eltern besucht er das Babykonzert des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn.

Der kleine Niklas und die großen Musiker: Mit seinen Eltern besucht er das Babykonzert des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn.

© Marijan Murat/dpa

HEILBRONN. Noch einmal kurz im Vorraum von Mami stillen lassen, dann ist die kleine Eva bereit. Das sechs Monate alte Mädchen aus Heilbronn-Böckingen besucht zum ersten Mal in seinem Leben ein Klassikkonzert.

"Sie mag Musik ganz arg", sagt Mutter Andrea Vallon. "Wenn ich ihr zu Hause etwas vorsinge, lacht sie immer und hört ganz gespannt zu."

Deshalb seien sie zu einem Babykonzert des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn gekommen. "Wir haben zwar keinen speziellen Draht zu klassischer Musik, aber ein Orchester einmal live zu erleben, ist für ein Baby sicher etwas ganz Besonderes."

Die Konzertgäste krabbeln

Drinnen im Saal haben es sich die anderen Besucher schon bequem gemacht. Auf roten und blauen Matten sitzen, krabbeln oder liegen rund 150 Säuglinge. Ihre Mütter - und auch vereinzelte Väter - treffen letzte Vorbereitungen, damit ihre Schützlinge das Konzert in vollen Zügen genießen können.

Hier noch ein Breichen füttern, da noch einmal Windeln wechseln. Als dann die 19 Musiker ihre Plätze einnehmen und auf Violine, Bratsche, Cello und Kontrabass die ersten Töne von Johann Melchior Molters Sinfonie Nr. 24 in D-Dur anstimmen, drehen sich alle kleinen Köpfe auf einen Schlag nach vorne. Die jungen Besucher machen große Augen und lauschen andächtig.

Für das Kammerorchester ist es schon das dritte Babykonzert. "Das Ganze entsprang zwei Ideen", erzählt Intendant Christoph Becher. "Zum einen wissen wir, dass Babys Musik gut hören und aufnehmen können."

Zum anderen sei es ein Angebot für die jungen Eltern, die man aus Veranstaltersicht zu oft im Regen stehen lasse.

"Es ist uns ganz wichtig, auch für diese Zielgruppe etwas anzubieten, die sich sonst zusätzlich zum normalen Konzertpreis immer noch einen Babysitter leisten müsste", sagt Becher.

Fünf Euro kostet der Eintritt für die erwachsene Begleitung, das Kind ist frei. Alle drei Konzerte seien Wochen im Voraus ausverkauft gewesen.

Babykonzerte in vielen Städten

Und nicht nur die Heilbronner haben das ganz junge Publikum für sich entdeckt. Auch bei der Kölner Philharmonie, bei der Staatskapelle Weimar, in Hamburg sowie an den Theatern Freiburg und Passau standen bereits Babykonzerte auf dem Programm.

"Es gibt schon viele Jahre die Tendenz, die Zielgruppen bei der Werbung neuer Zuhörer zu erweitern", erklärt Ann-Barbara Steinmeyer, Professorin für elementare Musikpädagogik an der Musikhochschule Stuttgart.

"Ich bin mir sicher, dass so ein Konzerterlebnis eine emotionale Wirkung auf ein Baby hat", sagt Steinmeyer.

"Ich könnte mir sogar vorstellen, dass solche Veranstaltungen die Wahrscheinlichkeit steigern können, dass ein Kind den Zugang zu klassischer Musik findet", fügt die Professorin hinzu.

Es sei aber immer sehr stark persönlichkeits- und charakterabhängig, wie sich die musikalische Neigung eines Menschen entwickle. Punktuelle Veranstaltungen wie Babykonzerte reichten alleine sicherlich nicht aus, um eine solche Wirkung zu erzielen.

Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde ist das Konzert in Heilbronn vorbei. Die jungen Zuhörer waren brav, nur ab und an musste einer der kleinen Klassikgäste vom Versuch abgehalten werden, unter die Stühle der Musiker zu krabbeln und die Instrumente anzufassen.

Die kleine Eva hat nicht alles mitbekommen, nach der ersten Hälfte ist sie eingeschlafen. Trotzdem glaubt die Mutter, dass es ihr gefallen hat: "Ich fand es super und wir wollen auf jeden Fall zum nächsten Konzert im März wiederkommen."

Dafür steht auch das Programm schon: Mozart, Dvorak, Grieg, Bach und Rossini. (dpa)

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