TV-Kritik
"Kranke Kassen" schwächelt
Der ZDF-Beitrag "Kranke Kassen" am Mittwochabend hat die Schlagseite des Wettbewerbs zwischen Krankenkassen unter die Lupe genommen. Der Report war bilderstark, aber nicht in allen Beispielen überzeugend.
Veröffentlicht:"Wird die Solidargemeinschaft zum Nachteil der Schwachen geopfert?": Das war die Kernthese des ZDF-Beitrags "Kranke Kassen" am späten Mittwochabend.
"Wer jung und gesund ist, wird umworben. Wer alt und krank ist, stört", so die zugespitzte Botschaft.
Anhand der Schicksale mehrerer Versicherter versuchen die Autoren der Frontal 21-Redaktion ihre These zu untermauern. Fernsehen als visuelles Medium kann dabei mit der Wucht von Bildern arbeiten.
Chronisch krankes Kind wirkt stärker als Dementi
Ein chronisch krankes Kind, dessen Eltern von wiederholten Auseinandersetzungen mit ihrer Krankenkasse berichten, wirkt dabei stärker als das schriftliche Dementi einer Kasse.
Nicht alle der von den Autoren aufgezeigten Beispiele stützen die Behauptung, wonach "alt und krank stört".
Ein Case-Management der Kasse für einen Versicherten, der hohe Kosten verursacht, macht noch keinen Skandal aus. Schwerer wiegen demgegenüber die Vorwürfe etwa gegen die KKH Allianz.
Mitarbeiter sollen schwerkranken Versicherten einen Wechsel der Kasse nahegelegt haben. Per Pressemitteilung hat sich die Kasse im November 2012 für die Praktiken von Vertriebsmitarbeitern entschuldigt.
Freilich ist der Stil der Mitteilung frappierend: "Wer diese Kritik (an den Praktiken der KKH Allianz, die Red.) ernst nimmt, kann alle 144 Krankenkassen in Deutschland dichtmachen. In einem Solidarsystem, in dem der Gesunde für den Kranken zahlt, ist eine ausgewogene Mitgliederstruktur von existenzieller Bedeutung für jede Kasse", teilt die KKH Allianz mit.
Experiment ohne Evaluation
Für die Bundesregierung sind das Einzelfälle. Einen Wettbewerb zwischen den Kassen, der auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen werde, gebe es nicht, erklärt bündig das Bundesgesundheitsministerium. Hier hätten die ZDF-Autoren ruhig tiefer bohren dürfen.
Wettbewerb in der GKV wurde seit 1994 schleichend eingeführt. Ein Großexperiment, bei dem die Evaluation vergessen wurde. Trotz Morbi-RSA haben Kassen mit einem überproportionalen Anteil chronisch kranker Versicherter systematische Nachteile.
Hinzu kommen Finanzierungsanreize, die das Vermeiden eines Zusatzbeitrags zur obersten Prämisse machen. Das Kostencontrolling ist die Königsdisziplin eines jeden Kassenchefs.
Als Folge wird der Organisations- und Handlungsspagat der Kassen zwischen sozialrechtlichem Auftrag und Wettbewerb immer größer - mit ungewissen Folgen.
Zum TV-Beitrag "Kranke Kassen" in der ZDF-Mediathek.