Verhaltensbiologie
Warum Vögel Zigarettenkippen sammeln
Wissenschaftler suchen nach Erklärungen für das Verhalten von Vögeln: Warum sammeln Fink, Spatz und Co. Zigarettenstummel auf? Womöglich hilft das Nikotin den Tieren in ihrem Alltag.
Veröffentlicht:ST. ANDREWS/MEXIKO CITY. Rauchen ist mehr und mehr verpönt, Zigaretten werden vielfach nicht mehr toleriert. Vögel dagegen haben sie gerade erst entdeckt - und scheinen begeistert zu sein. Das gilt jedenfalls für Spatzen und Finken in Mexiko City.
Biologen aus Schottland und Mexiko haben entdeckt, dass die Stadtvögel dort Zigarettenkippen aufsammeln und damit ihre Nester auspolstern (Biol. Lett. 2013, vol, 9 no. 1).
80 Nester, die Mexikanische Hausgimpel (Haemorhous mexicanus), eine Finkenart und Haussperlinge (Passer domesticus) auf dem Universitätscampus in Mexiko City angelegt hatten, wurden inspiziert.
Bis zu 48 Zigarettenstummel hat das Team um den Ökologen Dr. Constantino Macias Garcia in Nestern gefunden. Der Durchschnitt war zehn Kippen pro Nest. Dabei hatten die Vögel die Stummel auseinandergenommen und die einzelnen Fasern durch die Zweige des Nests gewoben.
Warum tun Vögel das? Warum polstern sie ihre Nester mit stinkenden Zigaretten voll Nikotin und anderen Chemikalien aus? Die eine Möglichkeit ist, dass es den Vögeln um die weiche Zellulose in den Stummeln geht.
Oder könnte es sein, dass sie es gerade auf das Nikotin abgesehen haben, das ja bekanntlich ein Insekten-Repellent ist? Nachdem die jungen Vögel ausgeflogen waren, sammelten die Forscher die Nester ein, um sie genauer zu untersuchen.
Das Ergebnis: Je mehr Zigarettenmaterial im Nest eingebaut war, desto weniger Parasiten wurden darin gefunden.
Parasitenabwehr nur ein Nebeneffekt?
In einem weiteren Versuch lockten die Wissenschaftler dann Parasiten in Hitzefallen, die entweder mit Zellulose von gerauchten Zigaretten versehen waren oder mit Zellulose von nicht gerauchten Zigaretten.
Dabei konnten sie nachweisen, dass die Parasiten das Nikotin aus gerauchten Zigaretten mieden. Gerauchte Kippen wirken also wirklich abschreckend auf Ektoparasiten.
Macias Garcia und sein Team vermuten daher, dass die mexikanischen Stadtvögel eine moderne Version der Parasitenkontrolle praktizieren. Man weiß von manchen Vögeln, dass sie gezielt Pflanzen, die Insekten und Ektoparasiten wie Milben abwehren, in ihre Nester einbauen.
So legen etwa europäische Stare ihre Nester mit frischen Kräutern aus. Unter diesen Kräutern ist oft die wilde Möhre (Daucus carota). Sie enthält das Steroid B-Sistosterol, das Milben abweist und sie daran hindert, Eier zu legen.
Versuche haben ergeben, dass eine Starenbrut in Nestern mit Möhrenkraut viel weniger von Milben und Läusen befallen ist. Es gibt zwar auch Biologen, die bezweifeln, dass frisches, grünes Nestmaterial mit Parasitenkontrolle zu tun hat, sondern eher das Immunsystem der Jungen stimulieren soll.
Doch viele Studienergebnisse scheinen darauf hinzuweisen, dass Vögel sehr wohl versuchen, ihre Nester frei von Parasiten zu halten, indem sie sie mit insektenabweisenden Pflanzen auspolstern. Oder eben mit Zigarettenkippen.
Beweisen lasse sich das noch nicht, so die Wissenschaftler aus Mexiko. Möglicherweise suchen die Vögel auch nach weichem Nistmaterial und die Parasitenabwehr ist nur ein angenehmer Nebeneffekt. (ug)