Bewegungsparcours

Ein Spielplatz für Senioren

Wackelplatte, Beinpresse, Schwebebalken: Wöchentlich trainiert Übungsleiter Uwe Knecht mit Senioren im Darmstädter Bürgerpark Muskeln und Gleichgewichtssinn. Ein bisschen Spaß ist auch dabei.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Liegestützen sind sein Ding: 20 mal kann sich der 79-jährige Josef Tschullik aus den Armen hochdrücken - da staunt auch Übungsleiter Uwe Knecht nicht schlecht.

Liegestützen sind sein Ding: 20 mal kann sich der 79-jährige Josef Tschullik aus den Armen hochdrücken - da staunt auch Übungsleiter Uwe Knecht nicht schlecht.

© Smith

Das Aufwärmprogramm ist vorbei, jetzt geht es an die Geräte. Der erste Teilnehmer, ein Mann mit petrolfarbener Jogginghose und weißem Poloshirt, setzt seinen Turnschuh auf den Balken und hält sich am Handlauf fest.

Bedächtig setzt er einen Fuß vor den anderen. Als der Balken zu wackeln beginnt, hält er inne, sucht sein Gleichgewicht und balanciert weiter.

Plötzlich lässt er den Handlauf los und breitet seine Arme aus. Doch das sieht der Übungsleiter nicht gern, zumal sein Schützling heute zum ersten Mal im Bewegungsparcours trainiert.

"Halten Sie sich fest!", ruft Uwe Knecht. "Sonst wirft er Sie ab."

Josef Tschullik, 79, ist ein schlanker, sportlicher Mann, der ein- bis zweimal die Woche joggt, 20 Liegestütze schafft und im Winter Ski fährt. Am Wackelbalken jedoch stößt er an seine Grenzen.

Hier kommt es weder auf Kraft noch auf Ausdauer an, hier geht es ums Gleichgewicht und das lässt im Alter rasch nach. "Gar nicht so einfach", sagt der Rentner aus Weiterstadt, "da muss man sich ganz schön konzentrieren."

Wackelplatte schult Gleichgewicht

Josef Tschullik ist einer von zwölf Senioren, die sich an diesem Morgen im Darmstädter Bürgerpark zum wöchentlichen Training treffen.

Der Bewegungsparcours, eine Fitnessanlage für alte Menschen, liegt im Süden des Parks neben einer weitläufigen Rasenfläche und in Sichtweite einer Koppel, auf der drei oder vier Pferde grasen.

Die meisten der zehn Stationen sind von Bäumen beschattet, ebenso die Bänke, auf denen sich die betagten Sportler bei Bedarf ausruhen können.

Uwe Knecht, ein großer, resoluter Mann im schwarzen Sportdress, führt seinen Schüler zum nächsten Gerät, einer schwebenden Plattform, auf der ebenfalls die Koordination trainiert wird.

Hier gilt es zunächst, die eigene Mitte zu finden, um auch auf einem Bein im Gleichgewicht zu bleiben. Mit dem linken Standbein hat Josef Tschullik kein Problem, doch während er auf dem rechten steht, schwingt die Plattform hin und her.

"Bei diesen Übungen geht es schlicht und einfach um Sturzprophylaxe", erklärt Übungsleiter Knecht, der schon seit Eröffnung des Bewegungsparcours im Sommer 2011 Trainingsstunden für Senioren gibt.

Der 49-jährige Darmstädter ist ein erfahrener Übungsleiter, der die Stärken und Schwächen seiner Schüler rasch erkennt.

Idee aus China

Auch für die Kräftigung der Beinmuskulatur ist im Parcours gesorgt.

Auch für die Kräftigung der Beinmuskulatur ist im Parcours gesorgt.

© Smith

"Kein falscher Ehrgeiz", warnt er, als sein Schützling an der dritten Station, dem Oberkörper-Ergometer, gleich einmal den Widerstand erhöhen will. "Auch bei geringer Kraft werden Sie die Belastung heute Abend spüren." Sodann korrigiert er dessen Beinhaltung.

"Ein stabiler Stand verhindert, dass die Arme mitschwingen." Während der Drehbewegungen sollen die Schultern entspannt bleiben, an jedem der drei Doppel-Kurbeln wird ein bis zwei Minuten trainiert.

Ein Parcours wie der in Darmstadt soll vor allem Senioren, die über Jahre immobil gewesen sind, langsam an die Bewegung heranführen. Die Idee stammt aus China, wo Seniorenspielplätze seit vielen Jahren zum Stadtbild gehören.

Inzwischen gibt es auch in Deutschland in vielen Städten einen Mehrgenerationenspielplatz oder Bewegungsparcours und vielerorts angeleitete Übungsstunden.

Im Bürgerpark zahlen die Teilnehmer des vom Sportkreis Darmstadt-Dieburg angebotenen Trainings pro Einheit zwei Euro, Vereinsmitglieder und Inhaber der Seniorenkarte nur die Hälfte. An den Geräten trainieren auch spezielle Gruppen, beispielsweise Schlaganfall-Patienten oder Demenzkranke.

Spätestens bei den Kraftgeräten merkt Übungsleiter Knecht, dass Josef - inzwischen duzt man sich - tatsächlich kein Anfänger ist.

Die Liegestütze absolviert der 79-Jährige mit Bravour und auch der Armzug, bei dem er sich, an zwei Stangen hängend, 15 Mal hochziehen muss, gelingt ohne Probleme. "Da bist du fit", sagt Uwe, "nur musst du aufpassen, dass du nicht ins Hohlkreuz gerätst."

Studie zeigt Trainingseffekte

Währenddessen gönnt sich Ilse Birkner eine Pause. Mit 87 Jahren ist sie die älteste Teilnehmerin im Kurs und von Anfang an dabei. Die Wirkung des wöchentlichen Trainings sei enorm. "Die Kraft hat zugenommen", sagt sie.

"Ich kann sogar wieder meine Gardinen auf- und abhängen." Außerdem fühle sie sich im Alltag viel sicherer als vorher. "Wenn ich früher gestolpert bin, bin ich gleich hingedotzt. Heute kann ich mich abfangen."

Eine Studie unterstreicht die positiven Effekte des Bewegungsparcours. Gemeinsam mit dem Landessportbund Hessen, der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Hochschule Darmstadt und der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden hat das Sozialministerium in Hessen den gesundheitlichen Nutzen solcher Anlagen wissenschaftlich evaluiert.

Danach konnten die meisten der knapp 100 Probanden im Alter von 60 bis 94 Jahren durch ein dreimonatiges Training sowohl ihre Beinkraft als auch ihr Gehtempo steigern.

Knapp die Hälfte der Teilnehmer verbesserte ihre Koordination und Balance. Und viele berichteten, dass sie sich kaum noch vor Stürzen fürchten.

Ein positiver Nebeneffekt: Vor und nach dem Training lässt es sich herrlich tratschen - manch Teilnehmer schließt hier Freundschaften, die auch jenseits des Sportplatzes tragen.

"Das war toll!"

"Vor dem Fahrradfahren haben viele Senioren Angst", erklärt Uwe, als er Josef zur nächsten Station führt. "Die können wir ihnen am Bein-Ergometer nehmen."

Das Gerät trainiert nicht nur die Muskulatur, sondern auch das Herz-Kreislaufsystem.

Beim Wellenlaufen wiederum wird der untere Rücken-, Hüft- und Beckenbereich mobilisiert. Der Rückenstrecker schließlich trainiert die Rückenmuskulatur.

"Das war toll!", schwärmt Josef Tschullik nach den gemeinsamen Abschlussdehnungen und bekundet, beim nächsten Mal seine Frau mitbringen zu wollen.

Uwe Knecht schüttelt ihm zum Abschied die Hand. "Ich würde mich freuen."

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