Berliner Modellprojekt

Märchenstunde gegen das Vergessen

Märchen sind Kinderkram? Keinesfalls! Ein Berliner Modellprojekt zeigt, dass Menschen mit Demenz von Märchen profitieren können. Das Bundesfamilienministerium unterstützt dieses wegweisende Konzept.

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Faszinierte Zuhörerinnen und Zuhörer: Marlies Ludwig erzählt Märchen - und regt damit das Erinnerungsvermögen von Männern und Frauen mit Demenz an.

Faszinierte Zuhörerinnen und Zuhörer: Marlies Ludwig erzählt Märchen - und regt damit das Erinnerungsvermögen von Männern und Frauen mit Demenz an.

© Philipp Schumann / Märchenland

BERLIN. Es war einmal … Doch was genau war gleich nochmal?

Märchen sind als Kulturgüter im Bewusstsein unserer Gesellschaft tief verankert. Für Kinder bedeuten sie oft die erste Berührung mit Literatur, und Erwachsene erinnern sich zeitlebens an sie. Für Menschen mit Demenz können Märchen eine Brücke in die Erinnerung bauen und ihnen so ein Stück Sicherheit geben.

Das war die Grundannahme mit der die gemeinnützige Berliner Märchenland GmbH im Herbst 2012 mit Unterstützung des Berliner Gesundheitssenators Mario Czaja (CDU) das Pilotprojekt "Es war einmal ... Märchen und Demenz" gestartet hat.

Ein gutes Jahr später folgt nun der Aufschlag zum bundesweiten Modellprojekt mit Förderung des Bundesfamilienministeriums.

Reime werden mitgesprochen

"Es ist ungemein berührend, wenn Märchenreime von Patientinnen und Patienten mitgesprochen werden, die ansonsten kaum noch sprechen. Wir haben so viele Situationen erlebt, in denen Demenzerkrankte aktiv und positiv auf Märchenerzählungen reagieren, dass nun eine differenzierte Untersuchung der Wirkung auf herausforderndes Verhalten erfolgt", berichtet Silke Fischer, Direktorin von Märchenland.

Das Erzählen von Märchen könne ein Weg ins Langzeitgedächtnis von an Demenz erkrankten Patienten sein. So soll der Pflegealltag für die Betroffenen selbst, aber auch für Angehörige und Pflegepersonal erleichtert werden.

Dass das tatsächlich gelingen kann, hat das Berliner Pilotprojekt im Kleinen bereits gezeigt. Detailliert erforscht werden soll die Wirkung von Märchen auf Demenzkranke nun in einem bundesweiten Modellprojekt von der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) - in fünf Heimen der Betreiber Agaplesion und Katharinenhof.

In diesem Rahmen sind bis März 2015 wöchentlich freie Märchenerzählungen vor Kleingruppen von vier bis acht Patienten mit mittlerer und schwerer Demenz in den Heimen geplant.

Ohne zu verkindlichen und mit dem Anspruch, zwar erkrankte, aber erwachsene Personen zu betreuen, sollen die Märchenerzählungen die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen. Märchenland arbeitet dabei mit professionell ausgebildeten Märchenerzählerinnen zusammen.

Maria Furtwängler ist Schirmherrin

Die Schirmherrschaft über das Projekt hat die Ärztin und Schauspielerin Dr. Maria Furtwängler übernommen. Demenzkranke könnten zwar auch mit Gedichten und Liedern angesprochen werden. "Aber es sind die Märchen, die die Emotion ansprechen", so Furtwängler, deren Vater an Demenz erkrankt war.

Furtwängler ist überzeugt: "Märchen gehören zu jeder Kindheit unserer heutigen Demenzpatienten dazu.

Es ist ein schöner Gedanke, die Menschen durch ein derartiges emotionales Erlebnis an die Hand zu nehmen, kleine aber geliebte Erinnerungen zu wecken und ihnen Nähe zu schenken." (ami)

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