Megastädte
1,3 Milliarden Tonnen Essensabfälle
Immer mehr Megastädte, immer mehr Probleme. Eines davon ist oft nicht auf dem Radar der Städteplaner: Berge von Essensresten. Einerseits müssen Millionen ernährt werden, aber es fehlt an Platz für den Abfall. Was tun?
Veröffentlicht:SINGAPUR. Was in den zehn Restaurants des Fünfsterne-Hotels Marina Bay Sands in Singapur auf den Tisch kommt, ist vom Feinsten: Hummer mit Frühlingsgemüse oder Wachtel mit Koriandersaft. Nur die knackigste Karotte schafft es auf den Teller, nur die frischeste Zwiebel in die Suppe.
Der Rest landet im Abfall. Essensabfälle sind gerade für große Städte ein Riesenproblem. Die Wasser-, Städte- und Umweltkonferenz in Singapur beschäftigt sich vom 10. bis 14. Juli unter anderem mit diesem Thema.
"54 Prozent der Menschen leben nach UN-Schätzungen in Städten, bis 2050 werden es sogar 66 Prozent sein - damit steigen auch die Mengen an Essensresten deutlich", sagt Konferenzteilnehmer Mervyn Jones. Er ist Direktor der Organisation Sustainable Global Resources, die Unternehmer in Entwicklungsländern in Nachhaltigkeit berät und Abfallvermeidung lehrt.
Anders als auf dem Land kaufen die Menschen in der Stadt im Supermarkt abgepackte Nahrungsmittel, oft mehr als sie brauchen. Sie leben nicht von dem, was gerade reif ist, sondern suchen beim Einkauf auf Vorrat aus und verbrauchen dann nicht alles.
Hunger in der Überflussgesellschaft
In der dicht besiedelten asiatischen Millionenmetropole Singapur mit 5,3 Millionen Einwohnern landen jedes Jahr 785.000 Tonnen Essen im Abfall. Die UN-Ernährungsorganisation (FAO, Food and Agriculture Organization) schätzt, dass weltweit ein Drittel der Nahrungsmittelproduktion gar nicht erst auf den Tischen landet; sei es, weil es auf dem Weg zum Verbraucher schon verdorben ist oder ungenutzt im Müll landet. Das sind 1,3 Milliarden Tonnen im Jahr - eine gigantische Menge.
Städte müssen sich gleich zwei Herausforderungen stellen: Zum einen wird es schwierig, immer mehr Menschen in Ballungsräumen satt zu bekommen, zum anderen gibt es nicht genügend Platz für die vielen Abfälle.
Bei der Singapurer Konferenz geht es etwa darum, wie Abfälle genutzt werden können. So stellen zwei Singapurer Universitäten Projekte zur Umwandlung von Nahrungsmittelabfällen in Biotreibstoff vor.
Müllcontainer als Lebensretter
Die Organisation Food Bank Südafrika sammelt aussortierte Lebensmittel bei Geschäften und Märkten ein und kocht daraus Essen für Bedürftige. Sie verteilt so nach eigenen Angaben 3350 Tonnen Essen im Jahr. In Südkorea zahlen Haushalte für die Entsorgung von Nahrungsmittelabfällen je nach Menge. In Frankreich und anderswo gibt es die Bewegung der "Freegans", die ihren Lebensunterhalt möglichst unabhängig von Konsum zu bestreiten suchen und Lebensmittel aus den Müllcontainern von Supermärkten holen.
Elise Lecamp, 33 Jahre alt und Übersetzerin, geht in Paris zum Markt und sammelt ein, was die Stände als nicht mehr verkaufbar aussortieren. Sie schaue auch in Müllcontainern nach Essensresten, wie sie erzählt. So finde sie genügend Nahrungsmittel für sich und ihre Mitbewohnerin. "Wir Freegans entlasten damit zum einen die Müllhalden und reduzieren außerdem den Gesamtbedarf an Nahrungsmitteln in unserer Stadt", sagt Lecamp.
Mervyn Jones von Sustainable Global Resources nennt die britische Organisation FoodCycle als positives Beispiel. Sie klärt über gesundes Essen auf, wie man Abfall vermeidet und wo ungenutztes Essen abgegeben werden kann. "Es ist wichtig, dass die Menschen sich leicht an solchen Aktionen beteiligen können."
Essensabfälle wird es trotzdem immer geben. Die Singapurer Firma Enerprof hilft bei der platzsparenden Entsorgung. "In Singapur wächst die Abfallmenge ständig", sagt Enerprof-Manager Owen Yeo. "So geht es nicht weiter, denn wir haben nur eine einzige Müllhalde." Die Firma hat eine Maschine im Angebot, die Essensabfälle verflüssigt, damit sie in die Abwasserrohre fließen können.
Fünf solcher Maschinen stehen seit einem Jahr am Marina Bay Sands Hotel in Singapur. In diesem Hotel werden nun auch die Essensreste verflüssigt, die von den Essensbüffets der Konferenz übrig bleiben. (dpa)