Migranten-Medizin

Ärztliche Hilfe für Menschen im Abseits

In Deutschland leben tausende von Migranten ohne Krankenversicherung. Um ihre medizinische Grundversorgung kümmern sich Ehrenamtliche der Malteser Migranten Medizin - auch am Standort Berlin.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Dr. Andrea Loebell-Buch von der Malteser Migranten Medizin behandelt ein Kind in der Praxis des Malteser Hilfsdienstes in Berlin. Dort finden Menschen ohne Aufenthaltsstatus und ohne Krankenversicherung Hilfe.

Dr. Andrea Loebell-Buch von der Malteser Migranten Medizin behandelt ein Kind in der Praxis des Malteser Hilfsdienstes in Berlin. Dort finden Menschen ohne Aufenthaltsstatus und ohne Krankenversicherung Hilfe.

© Malteser Hilfsdienst

Offiziell leben etwa 140.000 Menschen in Deutschland ohne Krankenversicherungsschutz. Die Ethikkommission der Bundesärztekammer schätzt diese Zahl aber weitaus höher und geht von 200.000 bis 600.000 Betroffenen aus.

Die meisten halten sich illegal in Deutschland auf: Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, Staatenlose, Wanderarbeiter aus EU-Ländern, die im Heimatland keinen Versicherungsschutz genießen.

Aus Angst vor ihrer Abschiebung suchen viele von ihnen nie einen Arzt auf oder verschieben eine dringend notwendige Behandlung so lange, bis sie ihre Schmerzen nicht mehr aushalten oder ihre Erkrankung sogar lebensbedrohliche Ausmaße annimmt.

Die Mitarbeiter der Malteser Migranten Medizin, die inzwischen in zwölf Städten Deutschlands aktiv ist, sichern Patienten ohne Krankenversicherung eine kostenlose und anonyme Behandlung zu.

Die Gründung der bundesweit ersten Anlaufstelle dieser Art 2001 in Berlin geht auf eine Anregung des damaligen Erzbischofs von Berlin Georg Kardinal Sterzinsky zurück. Hintergrund waren die sprunghaft gestiegenen Zahlen illegal in Deutschland lebender Einwanderer sowie deren katastrophale medizinische Versorgung.

Ein Team von 14 ehrenamtlichen Ärzten

Zwar sind Mediziner in Deutschland verpflichtet, Menschen mit akuten Erkrankungen oder Verletzungen auch ohne Krankenversicherung zu behandeln, und bekommen die Kosten dafür von den Sozialämtern erstattet. Dennoch kommt es auch heute noch vor, dass Patienten ohne Krankenversicherung abgewiesen werden.

Manche Ärzte glauben zudem, dass sie illegal in Deutschland lebende Migranten bei den Behörden melden müssen, obwohl sich Mediziner nach einer 2009 erfolgten Änderung des Ausländergesetzes auf ihre Schweigepflicht berufen dürfen.

Träger der Malteser Migranten Medizin (MMM) ist der Malteser Hilfsdienst e. V., ein Fachverband der Caritas.

In Berlin kümmert sich ein Team von 14 ehrenamtlich tätigen Ärzten, darunter Allgemeinmediziner, Gynäkologen, Neurologen, Psychiater, Orthopäden, Pädiater und Zahnmediziner, sowie sieben ehrenamtlichen Praxishelfern (auch Physiotherapeuten) an drei Tagen in der Woche um die Hilfesuchenden.

Die Praxis ist in einem Seitenflügel des St. Gertrauden-Krankenhauses im Berliner Stadtteil Wilmersdorf untergebracht und umfasst fünf Behandlungsräume.

Leiterin der Einrichtung ist die Allgemeinärztin Dr. Adelheid Franz, die die Berliner Anlaufstelle mitbegründet sowie aufgebaut hat und die aufgrund ihrer Verdienste um Menschen ohne Krankenversicherung 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden ist.

160 Kindern auf die Welt geholfen

Zum Netzwerk der Berliner MMM gehören mehr als 200 Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Optiker, Labore, Hebammen und Beratungsstellen.

Die Behandlung erfolgt, so weit nicht anders möglich, unentgeltlich und auf Wunsch anonym.

Dabei übernimmt die MMM wenn nötig auch die weiterführenden Kosten, beispielsweise für Laboruntersuchungen, Operationen an Kliniken, Entbindungen oder die Behandlung durch andere Fachärzte. Alle anfallenden Kosten werden ausschließlich durch Spenden gedeckt.

Im vergangenen Jahr haben die Mitarbeiter der Berliner Malteser Migranten Medizin 11.000 Patienten behandelt und 160 Kindern auf die Welt geholfen. Alle Neugeborenen erhalten in der Praxis die Grundimpfungen und werden in einer eigens eingerichteten Kindersprechstunde medizinisch betreut.

Die größte Zahl der Hilfesuchenden bilden illegal in Deutschland lebende Migranten. Aber auch Obdachlose, ehemalige Selbstständige und einige wenige Touristen suchen die MMM-Praxis auf.

"Die Migranten Medizin ist gerade in einer Stadt wie Berlin eine sehr wichtige Einrichtung", sagt Berlins Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, seit Januar 2012 Schirmherr der MMM Berlin.

"Gerade für Menschen, die durch das soziale Netz in diesem Land fallen, ist eine Einrichtung wie die Migranten Medizin eine überlebensnotwendige Anlaufstelle."

Die Malteser Migranten Medizin Berlin

Die Malteser Migranten Medizin Berlin wurde 2001 gegründet und gilt als Vorbild für bundesweit mittlerweile elf weitere Einrichtungen dieser Art. Hier finden Menschen ohne Krankenversicherung bei einer akuten Erkrankung, Verletzung oder einer Schwangerschaft meist unentgeltlich und auf Wunsch anonym medizinische Hilfe. Die Berliner Einrichtung, die sich durch das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter sowie durch Spenden finanziert, hat im vergangenen Jahr 11 000 Menschen behandelt und 160 Geburten begleitet.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Behandlungstipps

Psoriasis und Komorbiditäten: Welche Therapie wirkt am besten?

Lesetipps
Dr. Carsten Gieseking

© Daniel Reinhardt

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Eine Spritze für eine RSV-Impfung liegt auf dem Tisch.

© picture alliance / Ulrich Baumgarten

Update

Umfrage unter KVen

Erst sechs Impfvereinbarungen zur RSV-Prophylaxe Erwachsener