Gy, Sv, Bq - Glossar zum Strahlenschutz

Tschernobyl und Fukushima: Beide Namen stehen für folgenschwere nukleare Unfälle. Radioaktivität wurde frei, sie gefährdet Mensch und Natur. Doch was sind überhaupt Millisievert, und was war noch gleich die Äquivalentdosis? Wir ergänzen unser Glossar zum Strahlenschutz laufend.

Veröffentlicht:

Die Aktivität (A) eines instabilen Atoms und damit radioaktiven Stoffes gibt die Zerfälle pro Zeiteinheit in Sekunden an. Gemessen wird sie in Becquerel (Bq). Die alte Einheit war das Curie (Ci), benannt nach dem weltberühmten Forscherehepaar. Da die Curies zunächst mit Radium (Ra) experimentierten, orientierten sich ihre Messungen an den Zerfällen dieses Stoffes: 1 Ci entspricht den Zerfällen von einem Gramm Ra. Umgerechnet werden Ci in Bq mit der Formel: 1 Ci = 3,61 × 1010 Bq/g

Energiedosis

Mit der Energiedosis (D) wird die Stärke der ionisierenden Strahlung bezeichnet. Sie drückt die Energie aus, die ein Stoff pro angegebener Masseeinheit aufnimmt. Absorbiert exakt 1 Kilogramm Materie exakt 1 Joule Energie aus der Strahlung ergibt sich die Energiedosis von 1 Gray (Gy). Früher wurde als Einheit das Rad (rd) verwendet. Die Umrechnung erfolgt mit dem Faktor 100: 1 Gy = 100 rd.

Äquivalentdosis

Für die Ermittlung der aufgenommenen Strahlung ist nicht nur die Energie ausschlaggebend, sondern auch die unterschiedlich starken Auswirkungen der Strahler auf biologisches Gewebe. Maßgeblich dafür ist die Ionisationsdichte der Strahlung, abhängig von der Strahlungsart und ihrem Energiebereich. Ausgedrückt wird dieses Verhältnis in der Äquivalentdosis (H).

Sie gewichtet die Energiedosis mit dem sogenannten Strahlungswichtungsfaktor (wR). Angegben wird sie in Sievert (Sv), das wie Gy ebenfalls das Verhältnis von 1 J/kg ausdrückt. In einer anderen Schreibweise kann wR auch durch den Strahlenqualitätsfaktor (Q) ausgedrückt werden. Im praktischen Strahlenschutz findet er aber keine Anwendung.

Art und Energie wR
Photonen (?- und Röntgenstrahlung) 1
Elektronen (ß-Strahlung) und Myonen 1
Neutronen, Energie < 10 keV 5
    10 keV bis 100 keV  10
    > 100 keV bis 2 MeV  20
    > 2 MeV bis 20 MeV  10
    > 20 MeV  5
Protonen, außer Rückstoßprotonen,
Energie > 2 MeV
5
a-Teilchen, Spaltfragmente, schwere Kerne      20

Strahlungswichtungsfaktor

Die Strahlungswichtungsfaktoren (wR) sind gesetzlich normiert, in Deutschland sind sie in der Anlage VI der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) vorgeschrieben. Mit ihnen wird die "Qualität" der unterschiedlichen ionisierenden Strahlung in Verhältnis gesetzt.

Dadurch lassen sich die Dosen etwa von a- oder ?-Strahlung direkt vergleichen. Beispielsweise bedeutet das, dass ein ?-Strahler mit einer Energiedosis von 100 mSv im Organismus die gleiche biologische Wirkung erzielt wie ein a-Strahler mit einer Energiedosis von nur 5 mSv (D × 20 = 100).

Organdosis

Ausschlaggebend in der Strahlentherapie und Nuklearmedizin ist aber die Dosis, der ein spezifisches Organ tatsächlich ausgesetzt war.

Gewebeart/Organ wT
Keimdrüsen 0,20
Knochenmark (rot) 0,12
Dickdarm 0,12
Lunge  0,12
Magen 0,12
Blase 0,05
Brust 0,05
Leber 0,05
Ösophagus      0,05
Schilddrüse 0,05
Haut 0,01
Knochenoberfläche 0,01
Andere Organe od. Gewebe 0,05

Für diese Beurteilung wird die Organdosis (HT) in Sv herangezogen. Sie ergibt sich aus der für ein bestimmtes Organ (bzw. ein Gewebe) ermittelten mittleren Energiedosis (D) und dem Strahlenwichtungsfaktor (wR).

Die Energiedosis des betreffenden Organs wird mit dem Strahlenwichtungsfaktor multipliziert, um die Qualität der Strahlung abzubilden. Das tiefgestellte T symbolisiert den Organzusammenhang (engl. tissue).

Als frühere Einheit wurde das Rem verwendet (Röntgen Equivalent Man). Sie wird umgerechnet mit: 1 Sv = 100 rem

Effektive Dosis

Während mit der Organdosis die Energie für ein Zielgewebe definiert wird, müssen Therapeuten vor allem aber die Dosis kennen, die bei einer Ganzkörperbestrahlung auf ein spezifisches Organ wirkt. Denn die einzelnen Gewebestrukturen reagieren auf ionisierende Strahlung teils sehr unterschiedlich. So sind die Keimdrüsen und das Knochenmark empfindlicher als Muskelgewebe. Hier hilft die effektive Dosis (E). Sie gibt in Sv an, welche Dosis ein Organ aufgenommen hat. In der Berechnung spiegelt sich das mittlere Geweberisiko wider, das über den Gewebewichtungsfaktor (wT) repräsentiert wird. Für alle Organe und Gewebestrukturen zusammengenommen gilt E = HT, da die Summe der Wichtungsfaktoren 1 ergibt.

 

Gray (Gy): absorbierte Energiedosis pro Massen-Element (Organ). Bei gleicher Dosis ist die biologische Wirkung unterschiedlich, sie hängt ab vom Strahlungstyp (Alpha-, Beta-, Gamma-Strahlung; Röntgen) und von der Organempfindlichkeit; Gy pro cm2: Dosisflächenprodukt; wird etwa bei Untersuchungen erfasst. Daraus wird die effektive Dosis (in Sievert, Sv) bestimmt

 Sievert (Sv): effektive OrganDosis. Einige Werte für Deutschland pro Jahr: - Natürliche Belastung im Mittel: 2,4 Millisievert (mSv) - Zusätzliche industrielle Belastung: Grenzwert per Gesetz 1 mSv - Berufliche Exposition (Radiologie, Nuklearmedizin, Kernkraftwerke): Grenzwert per Gesetz 20 mSv - Berufslebensdosis: 400 mSv (Ausnahmen möglich)

Interessante Werte (im Mittel) - Langstreckenflug von 10 Stunden: 0,12 mSv - Röntgen Thorax (pa): 0,02 mSv Hüfte (ap): 0,3 mSv - CT Abdomen: 8 mSv - CT Thorax: 11 mSv  Die derzeitige Strahlung am AKW Fukushima von 400 mSv pro Stunde entspricht 20 CT Thorax-Abdomen pro Mensch und Stunde.

Quellen: Grupen: Grundkurs Strahlenschutz, Springer, 2008 Kuwert, Grünwald, Haberkorn, Krause (Hrsg.): Nuklearmedizin, Thieme, 2007 Borlein: Kerntechnik, Vogel, 2009 Döbbeling, Miska: Strahlenschutz, Kohlhammer, 2010 Strahlenschutzkommission des BMU: Radiologische Grundlagen, Hoffmann, 2009 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) vom 29. August 2008 (BGBl. I S. 1793) Feuerwehrdienstvorschrift (FwDV) 500

Anmerkung: Wir ergänzen das Glossar laufend.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 16.03.201113:09 Uhr

Sehr gutes Glossar - CT-Angaben sind allerdings korrekturbedürftig

Ihre Angaben zur Computertomografie (CT) des Thorax und des Abdomen sind nicht mehr auf dem aktuellen Stand: In der Literatur werden zwischen diagnostischem und interventionellem CT stark schwankende Dosisvariationen und -intensitäten beschrieben.

Diagnostisches CT je nach Untersuchungsumfang und Schichtung 2-20 mSv;
Interventionelle CT''s ggf. mit mehreren Untersuchungsgängen 5-70 mSv.

Die durchschnittliche Belastung wird bei einmaliger CT-Diagnostik mit 8-15 und bei Intervention mit 30 mSv angesetzt.

Literatur mit Kernaussagen:
Mettler FA, Huda W, Yoshizumi TT, Mahesh M: Effective doses in
radiology and diagnostic nuclear medicine: A catalog. Radiology 248:
254–263, 2008
"Computed tomographic examinations tend to be in a more narrow range but have relatively high average effective doses (approximately 2–20 mSv), and average effective doses for interventional procedures usually range from 5–70 mSv".

Fazel R, Krumholtz HM, Wang Y, Ross JS, Chen J, Ting HH, Shah ND,
Nasir K, Eistein AJ, Nallamothu BK: Exposure to low-dose ionizing
radiation from medical imaging procedures. N Engl J Med 361: 849–
857, 2009
"annual effective doses defined as low (< or = 3 mSv), moderate (> 3 to 20 mSv), high (> 20 to 50 mSv), or very high (> 50 mSv)." … "Imaging procedures are an important source of exposure to ionizing radiation in the United States and can result in high cumulative effective doses of radiation."

Freundliche, kollegiale Grüße, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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