Leitartikel

Mit fantasievoller Taktik die Doping-Betrüger austricksen

Bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi werden so viele Dopingkontrollen durchgeführt wie noch nie. Doch damit allein lässt sich der Kampf gegen die Sünder nicht gewinnen. Was es braucht, sind drei gravierende Veränderungen.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Eingang einer Dopingkontrollstation in Sotschi. Bei diesen Winterspielen gibt es soviel Kontrollen wie nie zuvor.

Eingang einer Dopingkontrollstation in Sotschi. Bei diesen Winterspielen gibt es soviel Kontrollen wie nie zuvor.

© Kay Nietfeld/dpa

Den "härtesten Anti-Doping-Kampf jemals bei Olympischen Spielen" versprach der neue IOC-Präsident Thomas Bach im Vorfeld der Winterspiele von Sotschi und verwies stolz auf den olympischen Rekord von 2453 Dopingkontrollen.

Dabei weiß der ehemalige Fecht-Weltmeister genau, dass man auch aus dem härtesten Kampf nicht notwendigerweise als Sieger hervorgeht, da der Gegner mitunter noch härter oder gewiefter ist oder einfach mehr Glück hat.

Im Duell der Betrüger gegen die Verfechter eines sauberen Sports hat die Zahl der Wettkampfkontrollen eine geringere Bedeutung als die Analytik. Im November 2013 wiesen Doping-Kontrolllabore in Köln und Moskau mit einer verfeinerten Methode bei Nachtests eingefrorener Urinproben etliche Betrugsfälle nach.

Ursprünglich waren die Athleten negativ getestet worden, galten also als ehrlich. Mit Hilfe der neuen Nachweismethoden jedoch entdeckten die Forscher in Hunderten Proben Spuren des Anabolikums Dehydrochlormethyltestosteron, besser bekannt unter dem Markennamen Oral-Turinabol®, sowie des anabolen Steroids Stanozolol, das dem kanadischen Sprinter Ben Johnson bei den Olympischen Sommerspielen 1988 zum Verhängnis wurde.

Die aktuelle Entdeckung ist nur ein weiterer Beleg für die unter Experten nahezu einhellige Auffassung, dass die Betrüger den Kontrollen in aller Regel voraus sind und sich nur jene Athleten erwischen lassen, die zu dumm oder zu dreist sind oder deren Umfeld schlichtweg nicht über die notwendigen (finanziellen und technischen) Mittel verfügt, den Betrug zu kaschieren.

Das Geld lockt auch manchen Wissenschaftler

Im internationalen Geflecht der Dopingbetrüger mischen Ärzte, Chemiker und Pharmazeuten an zentraler Stelle mit - ob bewusst oder unbewusst.

Sie entwickeln neue Substanzen, veräußern sie an Athleten und Betreuer, beraten die Sportler, wann, wie und in welchen Abständen das Dopingpräparat verabreicht werden muss, und helfen dabei, die Einnahme zu verschleiern.

Jüngst gelang es einem WDR-Team, bei einem international renommierten Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau ein bislang nur im Tierversuch erprobtes, offenbar hoch wirksames und vor allem nicht nachweisbares Protein zu erwerben, das als Wachstumsfaktor Full Size MGF bezeichnet wird und wie der Insulinähnliche Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) den Muskelaufbau beschleunigt.

Die Undercover-Recherche bestätigte einmal mehr, dass es unter jenen Wissenschaftlern, die ihre Arbeit ethischen Prinzipien unterordnen, immer auch solche geben wird, die ihre Moral auf dem Mammon opfern.

Wie kompliziert die Materie ist, lässt sich anhand des PRP-Verfahrens ablesen, das 2010 von der Welt-Anti-Doping-Agentur verboten wurde und seit 2011 wieder erlaubt, wenn auch umstritten ist.

PRP steht für Platelet-Rich Plasma und beschreibt eine Behandlung, bei der aus Eigenblut mit Hilfe einer Zentrifuge thrombozytenreiches Plasma gewonnen wird, das die Heilung verletzter Muskeln und Sehnen enorm beschleunigen soll.

Während viele Sportmediziner auf das Verfahren schwören, warnen andere davor, dass die Konzentration der körpereigenen Wachstumsfaktoren im Plasma zusätzlich mit synthetisch hergestellten Wachstumsfaktoren erhöht werden könnte, was zweifelsfrei als Doping zu werten wäre.

Postboten als freiwillige Kontrolleure

Egal wie weit man die Zahl der Kontrollen erhöht, der Kampf gegen Doping lässt sich nicht gewinnen. Das heißt aber nicht, dass man den Kampf verloren geben oder gar nicht erst dazu antreten sollte.

Im Gegenteil ist es angeraten, sich auf einen beständigen Wettkampf einzustellen, der neben Ausdauer und Technik eine fantasievolle Taktik verlangt.

In erster Linie sollte dabei, statt immer mehr Geld in Kontrollen zu investieren, die Analytik gefördert werden. Die Dopingfahnder müssen wissen, welche neuen Substanzen in welchen Laboren wo auf der Welt gerade entwickelt werden und wie sie sich im Fall des Falles nachweisen lassen.

Voraussetzung dafür ist eine internationale Kooperation jenseits partikulärer Interessen und Ideologien.

Eine weitere Forderung leitet sich aus dem über Jahrzehnte vergeblichen Bemühen ab, den Sport ohne Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden zu kontrollieren.

Polizisten wissen, wie Betrüger ticken, sie kennen deren Verstecke und Verschleierungsmethoden besser als ehemalige Postbeamte oder Frührentner, die als freiberufliche Dopingkontrolleure in Einsatz sind.

Staatsanwälte dürfen bei begründetem Verdacht Wohnungen, Hotelzimmer, Autos, Pakete oder Koffer durchsuchen lassen - Sportfunktionäre dürfen das nicht.

IOC-Präsident Bach wäre gut beraten, einen Teil der viel beschworenen Souveränität des Sports zu opfern und den Kampf gegen Doping den geänderten Erfordernissen anzupassen.

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