Trinkpaten helfen alten Menschen durch den Sommer
Bei der Betreuung alter Menschen in Hitzeperioden ist Hessen Vorreiter.
Veröffentlicht:Wenn die Temperaturen über die 30-Grad-Marke des Thermometers klettern, schrillen bei der Sozialstation der Caritas in Oberursel die Warnglocken. Dann müssen die Mitarbeiter Sonderregeln beachten und besonders aufmerksam sein, wenn sie zur ambulanten Pflege zu älteren Menschen in die Wohnungen fahren. Denn gerade für betagte Menschen sind hohe Temperaturen gefährlich. "Sie sind im allgemeinen weniger körperlich fit und bereits geringfügige Anstrengungen können das Herz-Kreislauf-System belasten", sagt Uwe Brucker, Fachgebietsleiter Pflegerische Versorgung beim Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Gerade das abnehmende Flüssigkeitsbedürfnis älterer Menschen ist ein großes Problem, wissen Ärzte.
Um ältere Menschen bei der Hitze zusätzlich gut zu versorgen, haben sich die Mitarbeiter der Caritas Oberursel etwas Besonderes ausgedacht: Trinkpatenschaften. "In Pflegeheimen ist es gang und gäbe, dass die Pfleger sich um das Trinkverhalten der Bewohner kümmern", sagt Edeltraud Lintelow, Leiterin der Caritas-Sozialstation Oberursel. "Doch für ältere Menschen, die zuhause leben, gibt es keine derartigen Angebote." Das wollen sie und ihre Mitarbeiter mit den Trinkpatenschaften ändern.
Trinkpaten kommen zu ambulant betreuten Senioren in die Wohnung und animieren sie, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Sie stellen Wasser, Säfte oder Brühen bereit und schneiden Obst und Gemüse auf. "Ein guter Trick auch für Angehörige im Alltag ist das Zuprosten", sagt Lintelow. "Es ist etwas Geselliges, so trinken die älteren Menschen automatisch mehr." Angehörige können das Programm als Teil der Pflegeleistung buchen, können es aber auch als Selbstzahler in Anspruch nehmen. Acht Euro kostet die Leistung dann pro Besuch.
Hessen ist deutschlandweit Vorreiter, wenn es um die Hitzeprävention geht. Bereits 2004 hat das Land zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) ein Warnsystem entwickelt. Inzwischen nutzen alle Bundesländer den Warndienst, damit bei einer Hitzewelle möglichst wenig Menschen zu Schaden kommen. Verpflichtend sind die Hinweise jedoch nicht. "Hessen ist das einzige Bundesland, bei dem die Heimaufsicht im Rahmen eines Hitzeplans obligatorische Anweisungen an die Einrichtungen gibt, welche Maßnahmen bei einer Hitzeperiode zu ergreifen sind", sagt Brucker. Andere Länder hinken stark hinterher. Kompetenzrangeleien zwischen Bund, Land und Kommunen könnten ein Grund sein, warum es trotz der Hitzewelle im Jahrhundertsommer 2003 noch immer keine ausgearbeiteten Notfallpläne gibt. Offizielle Statistiken über die Zahl der Hitzetoten gibt es in Deutschland nicht. "Klar ist nur, dass im Juli und August 2003 wesentlich mehr ältere Menschen gestorben sind als in Vergleichsmonaten der Jahre davor", sagt Brucker. Pionier ist Hessen auch mit dem Hitzetelefon des Diakonissenhauses in Kassel-Vorderer Westen. Ältere Menschen, die in diesem Stadtteil leben, können sich mit einer Postkarte, die Hausärzte, Apotheker oder Getränkelieferanten verteilen, mit Namen und Telefonnummer im Mutterhaus anmelden. Sobald der Wetterdienst die Hitzewarnstufe 2 herausgibt, rufen die Schwestern die Senioren täglich am Vormittag an. Stufe 2 ist erreicht, wenn an drei Tagen hintereinander die gefühlte Temperatur 32 Grad beträgt. "Sie erinnern sie, die Rollläden zu schließen, noch mal Getränke zu bestellen oder am Mittag nicht das Haus zu verlassen", sagt Susanne Bullien, Sprecherin der Diakonie-Kliniken Kassel. Dabei geht es den Mitarbeitern der Diakonie auch darum, Kontakt zu halten und Hilfestellungen zu geben.
"Zur Aufgabe der Diakonissen gehört auch, Risikofaktoren zu erkennen", sagt Markus Heckenhahn, Projektleiter der Initiative "Hitze-Präventionsnetzwerk Vorderer Westen". "Lebt eine 85-Jährige im 6. Stock, sind die Schwestern aufmerksamer, raten dazu, den Arzt aufzusuchen und bieten auch an, einen Termin zu vereinbaren", sagt er. Das "Hitze-Präventionsnetzwerk Vorderer Westen" ist ein von der Hochschule Fulda begleitetes und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Modellprojekt, das noch bis 2013 läuft. Beteiligt an dem Netzwerk sind Ärzte, Apotheken, Pflegedienste, das Gesundheitsamt und Wohnungsbaugenossenschaften.