Schwarz-Gelb führt die Hausärzte zurück ins 20. Jahrhundert
Ein Honorardeckel für Hausarzt-Verträge nach Maßgabe von Verträgen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen? Solche Pläne führen in die Welt von gestern.
Veröffentlicht:So hat man sich liberale Gesundheitspolitik nicht vorgestellt. Freiheit in der Gesundheitsversorgung: Das sollte eigentliche Wahlmöglichkeiten für Ärzte und ihre Patienten bedeuten - in alternativen Versorgungssystemen, aber auch mit neuartigen Vergütungsstrukturen. Vorgänger-Regierungen hatten dazu gesetzliche Grundlagen als Alternative zum konventionellen KV-Kollektivvertrag geschaffen: die Integrierte Versorgung, die hausarztzentrierte Versorgung und die besondere ambulante Versorgung (Paragraf 73b und c).
Ein Schritt nach vorne und zwei Schritte zurück
Der hoffnungsvolle Start dieser Verträge vor allem in Baden-Württemberg hat eines bewirkt: das KV-Monopol wurde geknackt. Ein Folgeproblem ist die Vergütungsbereinigung, deren technische Schwierigkeiten freilich nicht in der - relativ einfachen - Vergütungsstruktur der Hausarzt-Verträge, sondern vielmehr in der Komplexität der KBV/KV-Honorarsystematik liegen.
Auf was sich die schwarz-gelbe Koalition in ihren Eckpunkten verständigt hat, bedeutet Stillstand, wahrscheinlich Rückschritt, aber auch die Quadratur des Kreises.
Zunächst genießen die bestehenden Hausarztverträge Bestandsschutz. Für Hausärzte und deren Patienten, die einem Paragraf 73b-Vertrag beispielsweise in Bayern und Baden-Württemberg beigetreten sind, ändert sich - vorerst - nichts.
Unsicher ist, wie das Schicksal derjenigen Verträge aussieht, die derzeit im Schiedsverfahren sind. Das Gesundheitsministerium versichert, dass alle Schiedsprüche, die bis zum Kabinettsbeschluss zur Gesundheitsreform getroffen werden, unter den Vertrauensschutz fallen. Auf Nachfrage gibt das Ministerium für die Entscheidung die letzte September-Woche an. Ausschließen will das BMG allerdings nicht, dass einzelne Kassen in den Monaten bis zum Inkrafttreten des Gesetzes auf Zeit spielen werden. Hier vertraue man auf das Management der Schiedsamts-Vorsitzenden, heißt es.
Völlig im Nebel liegen dagegen die Vorgaben für Hausarztverträge der Zukunft. Bekannt ist, dass die Koalition eine Begrenzung des Vergütungsniveaus plant. Damit steht nur eines fest: Das Kollektivvertragssystem wird zum Maßstab aller Dinge. Die Vertragsfreiheiten, die die Vorgängerregierungen für Ärzte und Krankenkassen geschaffen haben, mögen zwar formal erhalten bleiben, werden aber ihrer Substanz beraubt.
Darüber hinaus gibt gravierende technische Probleme. Hier hilft es nicht, wenn BMG-Abteilungsleiter Ulrich Orlowski versucht, den Zusammenhang zwischen Kollektiv- und Selektivverträgen zu zerstreuen. Es sei nie die Rede davon gewesen, die Honorare in Hausarztverträgen an das durchschnittliche RLV-Niveau in Kollektivverträgen auszurichten. Zentraler Punkt sei die Zuwachsbegrenzung: Diese müsse sowohl für Kollektiv- als auch für Hausarztverträge gelten. Hier rudert das Ministerium offenbar zurück. Denn: Die RLV sind nur einer von mehreren Bestandteilen des KV-Honorars. Diese Komponenten sind: freie, unbegrenzt vergütete Leistungen und morbiditätsbedingte Gesamtvergütung, aus den Kosten (durch Vorwegabzüge) sowie RLV und QZV.
Eine prospektiv vereinbarte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung, innerhalb derer Mengenbegrenzungen und Abstaffelungsregeln gelten, kennt aber die HzV-Honorarsystematik nicht. Hier gibt es drei Pauschalentypen - kontaktunabhängig, kontaktabhängig, Zusatzpauschalen für chronisch Kranke - sowie Zuschläge, einen begrenzten Katalog von Einzelleistungen und eine erfolgsabhängige Komponente. Das ist die sogenannte Bierdeckel-Philosophie.
Historische Machtverhältnisse werden zementiert
Auf der Hand liegt: KV-Honorar und HzV-Honorar sind nicht vergleichbar. Bei Neueinschreibungen und aufgrund der kontraktunabhängigen Pauschale einmal im Jahr fallen beim HzV-Honorar relativ hohe Anfangszahlungen an. Das heißt: Solange neue Versicherte sich einschreiben, schiebt die Kasse eine Bugwelle an Honorar vor sich her, die aber in der Konsolidierungsphase abebbt. Überhaupt keine Beachtung finden in Röslers Plänen intersektorale Effekte - etwa auf die Ausgaben für Arzneimittel und Krankenhäuser.
Ein weiteres Problem: Die KV-Vergütungsniveaus für Hausärzte sind das Ergebnis nicht zuletzt historischer Machtverhältnisse im innerärztlichen Verteilungskampf. Dies nun zum gesetzlichen Maßstab für eine Vertragsinnovation zu machen, ist - gelinde gesagt - verwegen.
Lesen Sie dazu auch: HzV in Gefahr? Ministerium sucht zu beschwichtigen Solidarausgleich für Zusatzprämien: "himmelschreiender Blödsinn"