Gastbeitrag

Die bittere Rache für den Konsum auf Pump

Schulden für die Erfüllung von Wahlversprechen: Doch funktioniert die Lastenverschiebung in die Zukunft wirklich? Nein, meint unser Gastautor Professor Fritz Beske. Sie muss ein Ende haben. Der Bürger muss auf Staatskomfort verzichten.

Von Fritz Beske Veröffentlicht:
Professor Fritz Beske ist Leiter des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel.

Professor Fritz Beske ist Leiter des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel.

© IGSF

Die Gipfel überstürzen sich. Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Eurokrise - es muss gehandelt werden. Dabei wird auch gefordert, das Übel an der Wurzel zu packen.

Die einhellige Antwort lautet: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Und dies gilt es zu ändern, akut und dauerhaft.

Der Bürger hört diese Kunde und fragt sich, wo er denn über seine Verhältnisse gelebt haben könnte. Beispielhaft sei auf den Presseclub in der ARD vom 16. Oktober verwiesen, in dem das Thema Eurokrise zur Diskussion stand.

Wo soll der Bürger noch sparen?

In der sich anschließenden Fragestunde für Zuschauer wies eine empörte Anruferin darauf hin, dass sie es nicht mehr hören könne, dass die Bürger über ihre Verhältnisse gelebt hätten.

Sie, die Anruferin, habe in ihrem ganzen Leben noch nie über ihre Verhältnisse gelebt, und sie wisse auch nicht, wo bei ihrer knappen Rente noch gespart werden könnte.

Und so gehe es all ihren Bekannten. Keine Einzelreaktion zu dieser Sendung im übrigen.

Handlungsunfähigkeit ist vorprogrammiert

An dieser Diskussion wird wieder einmal deutlich, wie schwierig es ist, komplizierte Sachverhältnisse verständlich zu diskutieren, und wie notwendig es ist, eindeutig zu definieren, worüber gesprochen wird.

Die Antwort ist eindeutig. Es geht nicht um den einzelnen Bürger, es geht vielmehr um die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden - und Sozialversicherungen.

Es geht um die Schuldenlast in den Staatshaushalten. Die Situation ist in den meisten Ländern ähnlich. Die Schulden sind so gewachsen, dass sie die Handlungsfähigkeit der Politik bedrohen.

Wahlversprechen und Wählerwünsche

Grundsätzlich ist die Schuldenaufnahme der öffentlichen Hand dann nicht gefährlich, wenn es um die Finanzierung von langfristigen Investitionen geht.

Zins und Tilgung erstrecken sich über viele Jahre, sind aber kalkulierbar und werden bedient. Im öffentlichen Bereich kann auch eine Rezession Grund zu einer vorübergehenden Kreditaufnahme sein, um damit Konjunkturprogramme aufzulegen.

Was in der öffentlichen Hand jedoch vor allen Dingen zu der heutigen Anhäufung von Schulden geführt hat, ist die Erfüllung von Wünschen der Bürger, oft die Erfüllung von Wahlversprechen.

40 Milliarden Euro für Zinsen

Dies geht oft nur über Schulden. Und so steigen die Schulden von Jahr zu Jahr, und mit den Schulden steigen die Zinsen.

Allein im Bundeshaushalt ist bei uns die Höhe der Zinsen von 27,3 Milliarden 1994 über 39,2 Milliarden 2000 auf 49,1 Milliarden Euro 2011 gestiegen, 15,6 Prozent des Gesamthaushalts von 304 Milliarden Euro.

Schulden können für Maßnahmen aufgenommen werden, deren Aufgaben kaum in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen. Beispiele sind Straßenbau, Industrieförderung oder Entwicklungshilfe.

Sparzwang trifft den Sozialbereich

Eine Reduktion dieser Leistungen ist nicht unmittelbar für die Bürger spürbar. Schulden werden aber auch für soziale Leistungen gemacht, für den Sozialtransfer, Renten, Familienförderung oder Gesundheit.

Kürzungen in diesen Bereichen treffen große Bevölkerungskreise. Dies ist es, was wir heute in Griechenland erleben. Der Sparzwang trifft den Sozialbereich: Renten, Gehälter und Ausgaben für Gesundheit.

Praktisch über Nacht werden Sozialleistungen in Milliardenhöhe gekürzt, darunter auch im Gesundheitswesen. Fehlentscheidungen der Vergangenheit werden für die Bürger schmerzhaft spürbar.

Finanzierungsvorbehalte allerorten

Dies soll in Deutschland ein Ende haben. Die grundgesetzlich festgelegte Schuldenbremse für den Bund ab 2016 und für die Länder ab 2020 schreibt vor, dass von diesem Zeitpunkt an keine neuen Schulden mehr gemacht werden dürfen.

Die Schuldenlast von zwei Billionen Euro könnte dann geringer werden. Aus bedarfsbezogen wird einnahmeorientiert. Die Folgen werden wir alle zu spüren bekommen.

Denn gewährt werden kann nur noch, was auch bezahlt werden kann, und zwar aus den aus der Wirtschaftsleistung resultierenden ordentlichen Einnahmen der öffentlichen Haushalte.

Das bedeutet für das Gesundheitswesen wie auch für andere Staatsleistungen, dass alles unter dem Vorbehalt der künftigen Finanzierbarkeit steht. Hiervon sind wir jedoch noch weit entfernt.

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