Diabetes

Verbände fordern Zucker-Fettsteuer

Höhere Mehrwertsteuer auf Süßes und Fettiges: Die Diabetes-Gesellschaft fordert einen Kurswechsel im Kampf gegen Diabetes. Schwarz-Rot denkt derweil über ein "koordiniertes Vorgehen" nach.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Chips und Cola, dazu Bewegungsmangel - und der spätere Typ-2-Diabetes ist beinahe hausgemacht.

Chips und Cola, dazu Bewegungsmangel - und der spätere Typ-2-Diabetes ist beinahe hausgemacht.

© Ivonne Wierink / fotolia.com

BERLIN. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE - Deutsche Diabetes Hilfe fordern eine Steuer auf Fett und Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln. Gleichzeitig sollen gesunde Lebensmittel billiger angeboten werden können.

Zudem stellten sich die Organisationen hinter den Entschließungsantrag des Bundesrates für einen Nationalen Diabetesplan. "Wir müssen weg von der Projektitis hin zu Strukturlösungen", sagte DDG-Geschäftsführer Dr. Dietrich Garlichs am Dienstag in Berlin.

Die Verhältnisprävention müsse ein deutlich stärkeres Gewicht erringen als die Verhaltensprävention, sagte Garlich. Unterstützt wird der Vorstoß auch vom Verband der forschenden Pharmaunteernehmen.

"Diabetes gehört zu den Erkrankungen, deren Häufigkeit auf der ganzen Welt im Zuge einer längeren Lebenserwartung und eines wachsenden Wohlstands zunimmt", sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer am Dienstag in Berlin.

Jedes Land müsse sich fragen, ob sein Gesundheitssystem darauf gut vorbereitet sei. In Deutschland sei keineswegs alles getan, was möglich wäre.

In Deutschland ist nach Angaben der Diabetes-Organisationen die Zahl der an einem Diabetes erkrankten Menschen zwischen 1998 und 2011 um 38 Prozent auf mehr als sechs Millionen Menschen gestiegen.

40.000 Amputationen jährlich, 2000 Erblindungen und 2300 neu Dialysepflichtige seien ein Teil der Folgen der Volkskrankheit, sagte Dr. Stefanie Gerlach von diabetesDE. Die Kosten für das Gesundheitswesen in Deutschland schätzen die Experten auf 35 Milliarden Euro jährlich.

Die Ursachen seien ganz klar Fehl- und Überernährung, sagte DDG-Präsident Privatdozent Erhard Siegel. "Wir essen zu viele Kalorien", stellte der Internist fest. Verhaltenspräventive Ansätze schlügen in der Regel nicht an. Vor allem Kinder würden nicht erreicht.

Deutschland hat sich 2011 dazu verpflichtet, die vorzeitige Sterblichkeit durch nichtübertragbare Krankheiten bis 2025 um ein Viertel zu senken. Im Verlauf der Koalitionsverhandlungen hatten Vertreter von Union und SPD gefordert, den halben Mehrwertsteuersatz auf alle Lebensmittel aufzuschlagen, die mehr als 275 Kalorien je 100 Gramm haben.

Für Grundnahrungsmittel liegt der Mehrwertsteuersatz bei sieben, für Getränke und zubereitete Speisen bei 19 Prozent. Von einem solchen Steueraufschlag wären beispielsweise Nuss-Nougat-Cremes und Kartoffelchips betroffen. Zuständig für eine solche Regelung wären das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie das Finanzministerium.

Die Bundesregierung plant nach der Sommerpause in die Beratungen für ein Präventionsgesetz einzusteigen. Damit sollten individuelle Verhaltensweisen und ärztliche Vorsorgeuntersuchungen gefördert werden, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Dienstag.

Aus Regierungskreisen hieß es zudem, es gebe außerdem Überlegungen für ein koordiniertes Vorgehen gegen Diabetes.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Heilt eine Fettsteuer die Unvernunft?

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 16.08.201414:44 Uhr

Steuererhöhungen sind generell abzulehnen!

Schämt euch, Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) !
Die Staatsquote liegt bereits bei über 50%

Carsten Windt 17.07.201407:40 Uhr

Nicht immer ist die Nahrung schuld

Auf der einen Seite sind wir noch immer Neandertaler. Gibt es was zu "fressen" wird gefressen. Was damals evolutionär ein Vorteil war, nämlich sich Vorräte in Form von Fettpolstern anzueignen, ist heute bei der ständigen Verfügbarkeit ein Nachteil. Unsere Ernährungsgewohnheiten haben sich nicht geändert, wohl aber die Lebensweise. Ich denke größtes Übel ist der Bewegungsmangel insbesondere bei der heutigen Jugend. Das einzige was sich bewegt, sind die Finger (zum Videospielen, Fernseh gucken und chatten). Solange diese Situation besteht nützen zusätzliche Steuern nichts. Sie sind dann nur eine zusätzliche Einnahmequelle (Fressen zur Sanierung des Staatshaushaltes).
Natürlich ist auch die Lebensmittelindustrie mit ihren hochkalorischen Lebensmittel auch schuld, aber nicht jeder der mal so etwas ist wird gleich zum Diabetiker.
Es ist eben die Menge, die es ausmacht.
Fett und Zucker sind Grundnahrungsmittel. verteuern wir diese treffen wir gerade Einkommensschwache

Dr. Ernst Weiland 16.07.201409:35 Uhr

Nägel mit Köpfen?

Ja gerne, aber dazu ist einiges anzumerken!

Zum einen greift die angemahnte Steuer m. E. zu kurz und legt das Schwergewicht zu einseitig auf die Art der Ernährung. Die spielt zwar sicherlich eine Rolle, jedoch möglicherweise ganz anders als die Schulmedizin bisher glaubt.
Die Zusammensetzung der Darmflora scheint nämlich eine wesentlich größere Einfluß auf die Entstehung des metabolischen Syndroms zu haben die Ärztezeitung berichtete vor einiger Zait darüber, siehe auch The Lancet Diabetes & Endocrinology, Volume 1, Issue 0, Pages s4 - s5, August 2013).

International richtet sich das Augenmerk immer mehr auf die Darmflora als wichtiger Faktor der Entstehung von Krankheiten, auch Diabetes (siehe diverse Publikationen in Nature zwischen 2012 und 2014 sowie das MetaHIT-Projekt und das American Gut Project) Bevor hier nicht mehr Erkenntnisse gesammelt werden, die zu einer sicheren Diagnostik und einer davon abgeleiteten sinnvollen Therapie, zum Beispiel durch therapeutisches Mikrobiom-Management führen, können die vorgeschlagenen Maßnahmen bestenfalls flankierend sein.

Dazu kommt, dass die Politik die Sondersteuer gerne als zusätzliche Steuereinahmequelle sehen wird, der Patient hätte davon gar nichts. Besser wäre es, diese Einnahmen zweckgebunden in das Krankenversicherungssystem einzuspeisen, so dass diejenigen, die mit falscher Ernährung ihre Gesundheit gefährden, direkt einen Beitrag zur Finanzierung der damit angerichteten Schäden leisten, womit die Solidargemeinschaft entlastet würde.

Dr. Thomas Georg Schätzler 16.07.201400:02 Uhr

„Allein die Menge macht das Gift“

ist der bekannteste Spruch von Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim (Paracelsus): "Dosis sola venenum facit". Aber allein die steigende Typ-2-Diabetes Prävalenz und Inzidenz auf krasse Fehl- und Überernährung monokausal herunterbrechen zu wollen, wie DDG-Präsident, PD Dr. med. Erhard Siegel, vorschlägt, ist ebenso fehl-einschätzend wie kontra-produktiv. Denn dies verleugnet, dass körperlicher Bewegungs- und Belastungsmangel, sportliche Koordinations- und Geschicklichkeitsschwächen ebenso zur falschen Energiebilanz beitragen. Erst die ABC-Morbidität von Adipositas, Bewegungsmangel und Co-Faktoren wie metabolisches Syndrom, Hyperinsulinismus, endokrine Pankreasinsuffizienz, Insulinresistenz, idiopathische und genetische Faktoren machen z. B. den Typ-2-Diabetes mellitus aus.

Undifferenziert und einseitig Jagd auf Zucker und Fette machen zu wollen stellt sich fast auf eine Ebene mit verwirrten Gesundheits-"Gurus", die heute mal Fleisch, Milch, Milchprodukte als diabetogen brandmarken, morgen Vollkornprodukte, Kernobst und Wurst auf den glykämischen Index setzten wollen und übermorgen eine Diabetes-Prävention mit Unmengen von Zimt, Koriander, Piment bzw. Hafer-, Reis-, Soja-, Seitan- und Lupinen-Produkten starten möchten.

Ein Umsteuern von Fehl- und Überernährung muss nach wie vor verhaltenspräventiv ansetzen:
• Die "all-you-can-eat"-Fress- bzw. die "flatrate"-Sauf-Mentalität kann einfach dadurch gestoppt werden, dass derartige Veranstaltungen verboten werden: Jede(r) is(s)t für das verantwortlich, was er/sie is(s)t bzw. trinkt und muss nur so viel bezahlen, wie er an Lebensmitteln tatsächlich verbraucht.
• Fette als Grundnahrungsmittel und Geschmacksverstärker werden in Chips-Tüten, Fertig-Backprodukten und Fertig-Mahlzeiten oder -Snacks manipulierend missbraucht. Sie sind n i c h t gleichzusetzen mit Oliven-, Raps-, Walnuss-, Sesam-, Haselnuss- und Trüffelöl.
• Reiner Kristall-Zucker als versteckte und mit dem Konservierungsstoff Zitronensäure kaschierte Zutat in Cerealien, Gebäck, Kuchen, Süßspeisen, Milch und Milchprodukten, Fertiggerichten, Puddings und Aufläufen ist auch n i c h t gleichzusetzen mit Schokoladenmanufakturen, Konditoreiwaren, Vollwert- und Honigprodukten bzw. begrenztem Rohrzuckerverbrauch.

Es ist das "Große Fressen", die allgemeine Lethargie und die fehlende Dynamik in der postmodernen, EDV-geprägten, passiv-konsumierenden Industriegesellschaft. Bewusstes Einkaufen, Selber-Kochen und dann gemeinsames Essen und Trinken verliert immer mehr an kulturellem Einfluss. Genießen und kommunizieren wird ersetzt durch an-sich-Raffen, in-sich-Hineinstopfen und sinnlosem Verdauen von sinnlosen Produkten, die die Welt nicht braucht. "Und die Mutter blicket stumm, auf dem ganzen Tisch herum!"

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Steffen Jurisch 15.07.201416:00 Uhr

generell Begrüßenswert

aber bitte mchen Sie dann Nägel mit Köpfen und erhöhen Sie die Mehrwertsteuer auch bei Fleisch, Milch, Milchprodukten (Auslöser von Diabetes II und I) und setzen Sie im Gegenzug die Mehrwertsteuer für Hafer-, Reis-, Sojatrink, Seitan-, Soja- und Lupinen-"Fleisch" herab…

Das wäre mal eine Revolution im Umdenken!

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