Bremen

Wird die Rechtsmedizin kaltgestellt?

In Bremen mehren sich Hinweise, dass der Senat die landeseigene Rechtsmedizin loswerden will. Die Rede ist von einer Kooperation mit der Gerichtsmedizin in Hamburg. Alternativvorschläge finden bisher kein Gehör.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Ein Präparator schiebt in der Rechtsmedizin des Universitätsklinikum Eppendorf eine Leiche in eine Kühlkammer.

Ein Präparator schiebt in der Rechtsmedizin des Universitätsklinikum Eppendorf eine Leiche in eine Kühlkammer.

© dpa

BREMEN. Bremen will künftig mit der Hamburger Gerichtsmedizin kooperieren statt mit dem eigenen gerichtsmedizinischen Institut und dessen ärztlichen Beweissicherungsdienst. Einen Rettungsvorschlag, wie beides in Bremen gehalten und zugleich eine qualifizierte Leichenschau an der Weser eingeführt werden könnte, lehnt das Gesundheitsressort ab.

Haftprüfungen, Alkoholkontrollen, Feststellung der Arrestfähigkeit und jährlich rund 750 "Polizeileichen" - also Leichenschauen, bei denen die Polizei vor Ort ist - stets konnten sich Bremer Polizisten an den ärztlichen Beweissicherungsdienst (ÄBD) am Institut für Gerichtsmedizin am Klinikum Bremen Mitte (KBM) wenden.

Dort standen seit gut zehn Jahren rund um die Uhr Ärzte für die polizeilichen Ermittlungen bereit. Der Beweissicherungsdienst hat den Status einer Chefarztambulanz. Für 40 Euro pro Fall haben sich hier Ärzte in Nebentätigkeit etwas dazuverdient.

"Allerdings haben wir seit mehreren Monaten weniger Arbeit", sagt Professor Michael Birkholz, Leiter des Institutes, der "Ärzte Zeitung".

Woran das liegt, ist ungeklärt. Sinkt die Kriminalität oder gehen Bremer Polizisten weniger Streife? Das Innenressort schweigt dazu.

Der Beweissicherungsdienst hat als Folge der rückläufigen Aufträge quasi Kurzarbeit eingeführt und musste die Einrichtung an Wochenenden schließen. Denn Birkholz konnte seine Ärzte, die den Job per Nebentätigkeit erledigen, mit der wenigen Arbeit nicht mehr halten. Seit Pfingsten geht das schon so.

"Polizeileichen" müssen bis Montag warten

Die Polizei muss sich an den Wochenenden nun an die Notaufnahme der Krankenhäuser wenden, um zum Beispiel Alkohol- und Drogenkontrollen machen zu lassen. Die dort arbeitenden Ärzte sind nicht erbaut von der schwierigen Klientel.

"Wir mussten mehrfach lange in den Notaufnahmen warten und wurden auch schon abgewiesen", sagt die Sprecherin der Bremer Polizei, Kirsten Dambek. "Unsere Zusammenarbeit mit dem Beweissicherungsdienst war immer gut. Wir wünschen uns, dass sie weitergeht."

Auch "Polizeileichen" müssen bis montags warten oder es müssen Spezialisten aus Hamburg oder Niedersachsen herbeigerufen werden - und das dauert. Birkholz schlägt vor, in Bremen eine obligate qualifizierte Leichenschau einzuführen und sie durch den ÄBD machen zu lassen.

"In diesem Falle würde der Arzt vor Ort nun den Tod bestätigen, der ÄBD aber würde über die Einsatzzentrale gerufen und mit unseren Fachleuten die Leichenschau machen", so Birkholz.

86 Prozent der Toten in Bremen werden eingeäschert. Das bedeutet, dass auf die erste Leichenschau eines Arztes eine zweite - oft Wochen später - folgen muss, erklärt Birkholz. So ist es Vorschrift.

In Bremen macht dies das Gerichtsmedizinische Institut und finanziert sich hauptsächlich darüber: Von rund 6000 Feuerbestattungen im Jahr begutachten die Ärzte des Instituts die Toten ein zweites Mal. Das gilt auch für genannte "herrenlose Leichen", die im Stadtgebiet aufgefunden werden. Eine Aufgabe, die in anderen Kommunen vom Gesundheitsamt übernommen wird.

Pension als Anlass

Birkholz möchte nun die beiden Leichenschauen - direkt nach dem Tod und vor der Einäscherung - zu einer einzigen zusammenfassen und sie zusätzlich in die Hände des ÄBD legen, um wieder mehr Aufträge für den Dienst zu generieren.

Nebeneffekt: Bremen hätte eine komplett qualifizierte Leichenschau. Tötungsdelikte könnten so leichter entdeckt werden. "Das haben Justizministerkonferenz und Bundesärztekammer schon lange gefordert", sagt Birkholz.

Den Ärzten, die sonst die Leichenschau machen, würde kein Verlust entstehen. "Sie könnten den Hausbesuch wegen einer leblosen Person und die Todesbescheinigung abrechnen", sagt Birkholz. "Und wir könnten die Rechnungen für die qualifizierte Leichenschau stellen. Das Verfahren wäre nicht teurer als heute, aber professioneller." Soweit der Plan.

Aber das Bremer Gesundheitsressort will offenbar nicht. Das Argument: "Wir würden die Bevölkerung unter Generalverdacht setzen, wenn wir zu jedem Verstorbenen sofort einen Gerichtsmediziner schicken würden", sagt Dr. Martin Götz, Referatsleiter Medizin beim Gesundheitsressort.

"Vielleicht könnte die KV eine Gruppe bilden, die die Leichenschauen macht. Jedenfalls ist die Leichenschau ärztliche Aufgabe und die Hausärzte müssten sich im Zweifel entsprechend qualifizieren."

Der Gesundheitssenator will das Problem nun auf eine andere Weise lösen: Das Hamburger Rechtsmedizinische Institut soll die Bremer Rechtsmedizin übernehmen. In genau einem Jahr wird Birkholz pensioniert. Das will Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse zum Anlass nehmen, die gerichtsmedizinischen Aufgaben loszuwerden. Das bestätigt auch Götz: "Die Gespräche sind bereits fortgeschritten."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Schlechte Lösung

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