Geringere Beiträge für Familien
Sozialrichter weisen Klage ab
Es liegt kein Verstoß gegen die Verfassung vor, dass Eltern weitestgehend gleich hohe Sozialbeiträge zahlen wie Kinderlose, urteilt das Bundessozialgericht. Die klagende Freiburger Familie will nun das Bundesverfassungsgericht anrufen.
Veröffentlicht:KASSEL. Eltern können keine Entlastung bei ihren Beiträgen zur Renten- und Krankenversicherung verlangen. Verfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, wenn Familien nur an anderer Stelle entlastet werden, urteilte am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Es wies damit ein Ehepaar aus Freiburg ab, das nun Verfassungsbeschwerde einlegen will.
Das Paar hat drei heute 20, 23 und 25 Jahre alte Kinder großgezogen. Bereits 2006 hatten die Eltern bei ihrer Kasse, der DAK, eine Herabsetzung der Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung beantragt - etwa durch eine Berücksichtigung des steuerlichen Kinderfreibetrags.
"Staat muss Ausgleich schaffen"
Sie hätten die Beitragszahler und "Leistungsträger von morgen" großgezogen. Das sei mit hohen Kosten sowie mit Brüchen in der Erwerbsbiografie und damit mit geringeren Renten verbunden. Kinderlose hätten diese Nachteile nicht.
"Dem freiheitlichen Staat steht es nicht an, private Entscheidungen zu bewerten. Aber der Sozialstaat muss einen Ausgleich schaffen", sagte der Rechtsvertreter der klagenden Eltern, der Regensburger Jura-Professor Thorsten Kingreen.
Der frühere Richter am Hessischen Landessozialgericht, Jürgen Borchert, machte die Sozialabgaben mitverantwortlich für die wachsende Kinderarmut in Deutschland.
Renten von Frauen nur gut halb so hoch wie die von Männern
Der Verweis auf Leistungen des sogenannten "Familienlastenausgleichs" trägt nach Überzeugung der Kläger nicht. Die Versicherungsträger und auch die Gerichte verwiesen hier insbesondere auf die Anrechnung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung sowie die kostenlose Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zum einen habe das Bundesverfassungsgericht 2001 in seinem Urteil zu Pflegeversicherung eine Entlastung unmittelbar bei den Beiträgen verlangt. Zudem sei der Ausgleich völlig unzureichend.
So seien die Renten von Frauen in den alten Ländern nur gut halb so hoch wie die von Männern. Im konkreten Fall machten die für die Rente angerechneten Erziehungszeiten auf die durchschnittlich zu erwartende Rentenzeit nur rund 8000 Euro aus.
Auch in die Kranken- und Pflegeversicherung zahlten Familien letztlich mehr ein, als sie Vorteile bekommen.
Kein Verfassungsverstoß
Wie schon die Vorinstanzen folgte nun auch der BSG-Beitragssenat diesen Argumenten nicht. Auch eine Vorlage des Streits an das Bundesverfassungsgericht lehnten die Kasseler Richter ab. "Ein Verfassungsverstoß liegt nach Überzeugung des Senats nicht vor."
Dabei setzte sich das BSG ausführlich mit dem Pflegeurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001 auseinander. Im Ergebnis lasse sich daraus keine Bindungswirkung für die Renten- und Krankenversicherung ableiten.
Zur Begründung führten die Richter aus: "Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts einen weiten sozialpolitischen Spielraum. Er bewegt sich innerhalb der Grenzen dieses Gestaltungsspielraums, wenn er den Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern in verschiedenen Regelungen des Leistungsrechts berücksichtigt."
Eine Entlastung ausgerechnet bei den Beiträgen lasse sich aus dem Grundgesetz ebenso wenig ableiten wie ein kompletter Ausgleich aller familiären Lasten.
An vielen Stellen sei eine Entlastung bereits gegeben. "Es ist Sache des Gesetzgebers, selbst zu entscheiden, ob er weitere Entlastungen schaffen will, oder nicht", erklärte der Senat bei der mündlichen Urteilsbegründung.
Auch die fehlende Anknüpfung an die Zahl der Kinder in der Pflegeversicherung sei daher zulässig.
Bundessozialgericht: Az.: B 12 KR 15/12 R
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar zu Beiträgen in der Sozialversicherung: Von Kassel nach Karlsruhe