Schutz vor Katastrophen
Ärzte wurden nicht gefragt
Was die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung angeht, scheint das neue Katastrophenschutzkonzept aus dem Innenministerium ein Werk zu sein, das am Schreibtisch entstanden ist. Ärzte und Kliniken wurden offenbar kaum eingebunden.
Veröffentlicht:BERLIN. Naturkatastrophen wie die Oderflut 2002, großflächige Terroranschläge oder sogar Kriege sollen die Bevölkerung nicht unvorbereitet treffen. Deshalb will das Kabinett am Mittwoch eine "Konzeption zivile Verteidigung" beschließen. Wenig ist bislang aus dem 69 Seiten starken Papier bekannt. Einen Satz haben Medien jedoch bereits daraus zitiert, nämlich, "dass ein Angriff auf das Territorium Deutschlands, der eine konventionelle Landesverteidigung erfordert, unwahrscheinlich" sei.
Zudem wird beteuert, das Konzept sei keine Reaktion auf die jüngsten Anschläge in Deutschland. Vielmehr setze die Regierung einen Beschluss des Haushaltsausschusses von 2012 um. Die Notfallkonzepte seien seit 1995 nicht mehr überarbeitet worden. Inzwischen ist aber das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz neu gefasst worden, das die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei länderübergreifenden "Großschadenslagen" auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt hat.
BMG und RKI waren beratend dabei
Niedergelassene Ärzte können ohnehin nur im Verteidigungsfall vom Bund dienstverpflichtet werden, heißt es bei der KBV. Das gilt allerdings für die meisten Bürger. Ansonsten wird auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen.
Die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung scheint das Papier nur zu streifen. Man sei lediglich beratend für das federführende Bundesinnenministerium tätig gewesen, das gelte genauso für das Robert Koch-Institut, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Montag der "Ärzte Zeitung".
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) winkten ab. Man sei nicht gefragt worden, hieß es unisono unter Verweis auf die Länderebene. Eine nicht repräsentative Umfrage der "Ärzte Zeitung" bei Landeskrankenhausgesellschaften hat ergeben, dass die am stärksten von medizinischen Notfällen betroffene Ebene wohl ebenfalls nicht in das Konzept eingebunden ist. In den aktuellen Alarmplänen seien aber bis auf wenige Ausnahmen alle Krankenhäuser in den Krankenhausplänen vertreten.
Gleichwohl spielt die Gesundheitsversorgung in den Planspielen der Regierung eine Rolle: Vor Krankenhäusern sollen im Fall von Angriffen mit nuklearen, biologischen oder chemischen Kampfstoffen Dekontaminationsstellen eingerichtet werden, um Verletzte dort außerhalb der Kliniken notversorgen zu können.
Zudem werde geprüft, ob ein Vorrat von Schutzanzügen gegen solch extreme Luftvergiftung hilfreich sein könnte. Außerdem sollen ausreichend Pockenimpfstoffe, Antibiotika, Kaliumiodid-Tabletten und Beatmungsbetten vorgehalten werden.
Schutzlos ist die Bevölkerung auch heute nicht, wenn etwas passiert. So koordiniert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zum Beispiel die Medizinische Task Force. Das ist eine Flotte von Fahrzeugen. Das Amt stellt sie den Rettungsorganisationen für den Alltagsbetrieb zur Verfügung. Im Katastrophenfall werden sie und die auf ihnen geschulten Besatzungen dann zu Einsatzverbünden zusammengezogen. Allein 2015 hat das Amt den Rettungsdiensten 40 Fahrzeuge mit medizinischem Gerät übergeben.
Bedrohung aus dem Cyber-Raum
Unsichtbar ist die Bedrohung der medizinischen Infrastruktur aus dem Internet. Immerhin sind die informationstechnologischen Einrichtungen von Krankenhäusern, Laboren und den Lagerstätten für Arzneien und Impfstoffe als "kritisch" eingestuft, so wie die Energie- und Wasserversorgung. Für die Einrichtungen bedeutet das, dass sie unter dem Schirm des Cyber-Abwehr-Zentrums der Bundesregierung liegen.