Wasem

Gesundheitswesen zu langsam für die Digitalisierung

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung treiben Wissenschaftler, Politiker und Kassenvertreter um. Für die Ärzte bedeutet das heftigen Gegenwind.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen könnte nach Meinung von Experten schon viel weiter sein.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen könnte nach Meinung von Experten schon viel weiter sein.

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BERLIN. Das digitale Zeitalter will nicht so recht im deutschen Gesundheitswesen ankommen. Die elektronische Gesundheitskarte bleibt ein Torso, die digitale Infrastruktur lässt auf sich warten, das Prüf- und Genehmigungssystem in Deutschland kommt mit dem Tempo des digitalen Zeitalters nicht mit.

Jetzt setzen Wissenschaftler, Politiker und Kassenvertreter die Digitalisierung ganz oben auf die Agenda der kommenden Legislaturperiode. Gesundheitsökonom Jürgen Wasem fasste am Montag beim MCC "Kassengipfel" in Berlin die Aufgabe wie folgt zusammen: "Kernthema ist, wie sich die Digitalisierung in die zeitlichen Abläufe der gesetzlichen Krankenversicherung einbinden lässt!" Schon in der analogen Welt dauere es oft eineinhalb bis zweieinhalb Jahre länger als nötig, bis eine als sinnvoll erachtete Innovation eine EBM-Ziffer erhalten habe.

Die Selbstverwaltung werde nicht um die Fragen herum kommen, was genau im 21. Jahrhundert eine ärztliche Leistung sei und wo die Grenze des ärztlichen Monopols verlaufe? Sprich: Auch Apps, also kleine Computerprogramme fürs Smartphone können in Therapien eingebunden werden und ärztliche Arbeit substituieren.

Um die Beharrungskräfte des Systems zu überwinden, forderte der neue DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm von der nächsten Regierung einen Masterplan Digitalisierung. Darin müssten die Themen Demografie, Alterssicherung und Computerisierung aufgegriffen werden. "Wir müssen manches schneller machen, damit es überhaupt gemacht wird", sprach Storm das Problem an, das die zeitraubenden Prüfungs- und Genehmigungshürden viele digitale Entwicklungen aus der Versorgung fernhielten.

Für ein behutsames Vorgehen warb Dr. Thomas Kriedel, Vorstand der KV Westfalen-Lippe und alternierender Vorsitzender der Gesellschafterversammlung und des Verwaltungsausschusses der gematik. Es müsse eine Basis von Anwendungen geben, die allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehe, warnte er vor einer GKV der zwei Geschwindigkeiten. "Wenn wir die Standards änderten, könnten wir schneller sein", sagte Kriedel. Er sei sich sicher, dass die GKV in drei, vier Jahren einen Qualitätsschub aufgrund der Digitalisierung erleben werde. Wichtig sei dafür der flächendeckende und sektorenübergreifende Einsatz der elektronischen Patientenakte.

In der gematik sei viel Zeit vertrödelt worden, kritisierte CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich in einer weiteren Diskussionsrunde des Kassengipfels. Es sei fraglich, ob die Prozesse in Deutschland überhaupt das passende Schnittmuster für eine Digitalisierung des Gesundheitswesens bereit hielten.

Als weiteres Megathema der kommenden Legislatur bezeichnete Hennrich die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.

"Das Verhältnis von gesetzlicher und privater Krankenversicherung muss grundlegend ins Auge gefasst werden", sagte Hennrich. Die nächste Regierung müsse die Vergütung der Vertragsärzte losgelöst vom Thema Bürgerversicherung anfassen. Dabei sollte eine Konvergenz der Gebührenordnung für Ärzte und des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs diskutiert werden. Hennrich räumte ein, dass es in diesem Punkt in der Unionsfraktion unterschiedliche Meinungen gebe.

Für eine stufenweise Zusammenführung der beiden Vergütungssysteme sprach sich die Abgeordnete der Grünen, Kordula Schulz-Asche aus. Es sei nicht geklärt, wie sich die Beamten aus der Beihilfe lösen und in die gesetzliche Krankenversicherung überführen ließen.

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