Potenzial nicht ausgeschöpft

OTC-Arznei als Satzungsleistung

Die Einführung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags zum Jahresbeginn haben etliche Kassen genutzt, ihre Satzungsleistungen um rezeptfreie Arzneien zu erweitern. Wesentlich: Sie müssen stets vom Arzt verordnet werden.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Rezeptfreie Arznei müssen Kassenpatienten häufig aus eigener Tasche zahlen.

Rezeptfreie Arznei müssen Kassenpatienten häufig aus eigener Tasche zahlen.

© zaretskaya / iStock / Thinkstock

NEU-ISENBURG. Inzwischen nutzen 70 von insgesamt 124 gesetzlichen Krankenkassen die mit dem Versorgungsstrukturgesetz Anfang 2012 geschaffene Möglichkeit, die grundsätzlich von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV ausgeschlossenen rezeptfreien Arzneimittel als Satzungsleistung aufzunehmen. Davon profitiert ein Potenzial von insgesamt 43 Millionen Versicherten.

In starkem Maße profitieren davon Patienten, die eine Präferenz für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen haben, und Jugendliche, deren Eltern in der Standardversorgung rezeptfreie Arzneimittel aus eigener Tasche bezahlen müssen.

Sehr unterschiedliche Leistungen

Voraussetzung, so Armin Jacoby, Vorsitzender des Ausschusses Markt und Selbstmedikation des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH), ist die ärztliche Verordnung der rezeptfreien Arzneimittel entweder auf dem Grünen Rezept oder auf einem Privatrezept.

Damit geht der Patient in die Apotheke, lässt sich Empfang und Kosten des Arzneimittels quittieren und reicht Rezept und Quittung zur Erstattung bei seiner Kasse ein.

Nur in Ausnahmefällen, etwa bei der AOK Plus sowie der AOK Baden-Württemberg, werden Satzungsleistungen nicht im Wege der Kostenerstattung, sondern als Sachleistung gewährt. Hier muss für die Verordnung von OTC-Arzneimitteln, die in der Anlage III der Arzneimittelrichtlinien (Kindererstattung) aufgeführt sind, das Kassenrezept verwendet werden.

Art und Umfang der Satzungsleistungen variieren erheblich. Primär profitieren Jugendliche sowie Schwangere. Darüber hinaus Patienten, die homöopathische Arzneimittel benötigen. Etliche Kassen zahlen aber auch für anthroposophische und pflanzliche Arzneimittel. Viele Kassen haben die Leistungen je Versichertem budgetiert.

Die knauserigsten Kassen

Am knauserigsten ist die AOK Bayern, die ihre Leistung auf 30 Euro im Jahr deckelt, in Verbindung mit einer 20-prozentigen Selbstbeteiligung. Bei anderen Kassen reicht das Budget bis zu 400 Euro im Jahr, einige Kassen verzichten ganz auf eine Budgetgrenze.

Wiederum andere Kassen knüpfen die Verordnungsfähigkeit etwa von Homöopathika an besondere ärztliche Qualifikationen. Die AOK Baden-Württemberg erstattet OTC-Arzneimittel für Jugendliche nur an solche Versicherte, die in die hausarztzentrierte Versorgung eingeschrieben sind.

Dafür gibt es keine Budgetgrenze und keine Zuzahlung. Und der Versicherte hat keinen zusätzlichen Bürokratieaufwand, weil die OTC-Arznei auf Kassenrezept verordnet werden kann.

Ärzte müssen gut informiert sein

Das heißt also: Ärzte, die ihren Patienten Satzungsleistungen zugänglich machen wollen, müssen gut informiert sein. Einen vollständigen, regelmäßig aktualisierten Überblick bietet der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller auf seiner Homepage unter www.bah-bonn.de.

Ein Button führt direkt auf die Liste der Kassen mit OTC-Satzungsleistungen. Hier ist aufgelistet, welche Arzneimittel erstattet werden, wie hoch die Budgetgrenze ist, wie hoch die Zuzahlung ist und welche weiteren Bedingungen bestehen.

Auffällig ist, dass sich viele Satzungsleistungen entweder nur auf homöopathische oder allenfalls auf Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen (anthroposophische und pflanzliche) beschränken. Wichtige Zielgruppen unter den Patienten sind schwangere Frauen, Jugendliche sowie junge Familien.

Potenzial nicht ausgeschöpft

Damit werde das Potenzial rezeptfreier Arzneimittel in der Versorgung nicht ausgeschöpft, gibt Armin Jacoby zu bedenken. Er hält es für sinnvoll, dass auch weitere Krankenkassen chemisch definierte Selbstmedikationspräparate in die Satzungsleistungen aufnehmen.

Insbesondere für ältere und multimorbide Patienten sei dies wegen der geringeren Nebenwirkungen und des besonders günstigen Sicherheitsprofils verschreibungsfreier Arzneimittel sinnvoll. Die Lebensqualität dieser Patientengruppe könnte so gesteigert werden.

Da immer mehr Krankenkassen OTC-Arzneimittel im Rahmen von Satzungsleistungen anbieten, zeige dies, dass sie sich für die Kassen lohnen. Das Marktsegment wächst, die Nachfrage nach dem Grünen Rezept steigt. Zudem wünschten immer mehr Patienten, dass ihre Kasse diese Leistungen erstattet, so Jacoby.

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Kommentare
Dr. Christoph Luyken 18.03.201514:11 Uhr

Ganz oder gar nicht

Die Abschaffung der Erstattungsfähigkeit für die sog. "OTC-Präparate" per Gesetzt im Jahre 2003 habe ich von Anfang an für einen großen Fehler gehalten, der dann auch zahlreiche negative Folgen nach sich zog. Mein Verschreibungsverhalten habe ich indessen auch nicht verändert, d.h. ich habe diese Mittel weiter verordnet- nun auf dem grünen Rezeptformular.

Daß nun verschiedene Krankenkassen das Gesetz durch neue Satzungsleistungen "durch die Hintertür" umgehen, gehör aber nun zu jenen "Mauscheleien", die mir auch zuwider sind, zumal eben diese Regelungen im Einzelnen auch noch sehr unterschiedlich ausfallen.

Ich würde mir daher wünschen, daß die Erstattungsfähigkeit dieser Arzneimittel grundsätzlich wieder für alle Kassen und Versicherten gleichermaßen eingeführt wird. Das würde den Ärzten das Verordnen wieder erleichtern, den Frieden unter den Krankenkassen erhalten und vor allem für die Versicherten wieder eine umfassende Therapie sicherstellen.

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