Arzneimittelsicherheit
Datenschutz als Hürde
Um die Arzneimittelsicherheit zu kontrollieren, brauchen Forscher viele Daten. Das Leibniz-Institut baut deshalb seit Jahren eine umfassende Patienten-Datenbank auf. Doch der Datenschutz bremmst die Erstellung aus.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Liste der Limitationen bei klinischen Studien ist nach Ansicht von Professor Iris Pigeot lang: Sie dauerten nicht lang genug, schlössen zu wenig Patienten und darüber hinaus viel zu wenig vulnerable Patientengruppen ein - um nur einige der Einschränkungen zu nennen.
"Das führt dazu, dass die Sicherheit auch zugelassener Arzneimittelmittel häufig nicht gegeben ist", sagte die Leiterin des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) bei einer Podiumsveranstaltung zum Thema Arzneimittelsicherheit in Berlin.
Doch den Wünschen der Forschungsseite nach Einbeziehung von mehr Daten und mehr Patienten werde leider nicht ausreichend Rechnung getragen, ergänzte Professor Wolfgang Ahrens, stellvertretender BIPS-Direktor.
BIPS hat große Datenbank aufgebaut
Um die Sicherheit von Arzneimitteln auch nach deren Zulassung stärker zu kontrollieren, hat das BIPS 2000 mit dem Aufbau einer Datenbank begonnen, die auf den Abrechnungsdaten von mehr als 20 Millionen gesetzlich Versicherten vier großer Krankenkassen basiert. Das entspricht rund 25 Prozent der Allgemeinbevölkerung.
Die Datenbank enthält neben demografischen Angaben Informationen zu Krankenhausaufenthalten, ambulanten Arztbesuchen und Arzneimittelverschreibungen von allen Versicherten, die seit Januar 2004 bei einer der teilnehmenden gesetzlichen Krankenversicherungen versichert waren.
"Die pharmako-epidemiologische Forschungsdatenbank gilt als nationale Referenz für Deutschland", so Pigeot. Jedes Risiko, das das BIPS bei der Aufbereitung dieser Daten finde, werde publiziert. "Wir sind schneller als Contergan", betonte Pigeot.
Problem: Datenschutz bremst das Projekt aus
Es gibt allerdings ein gravierendes Hindernis, das dem Schutz der Gesundheit im Wege steht: Gemäß Paragraf 75 SGB X ist die Übermittlung von Sozialdaten - also denen der Sozialversicherungsträger - für Forschung und Planung nur zulässig, wenn ein bestimmtes Vorhaben angestrebt wird. Das bedeutet, erläuterte Ministerialrat Bertram Raum, Referatsleiter beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), "dass für jedes Vorhaben ein eigener Antrag gestellt werden muss".
Nach Ansicht von Dr. Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) schlägt damit "das Pendel zu weit auf der Seite des Datenschutzes". Schließlich stünden dem Schutz der Versichertendaten auch das Recht des Versicherten auf Gesundheit und das Recht auf Wissenschaft gegenüber. Zudem bestehe eine deutliche Diskrepanz zu den laschen Datenschutzregelungen bei diversen Gesundheits-Apps, kritisierte Köster-Steinebach.
Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, forderte zum Schutz der Arzneimittelsicherheit, den Sprung weg vom projekthaften Denken hin zu der Frage: Welche Schritte sind für den Patienten wirklich sinnvoll?