Urteil
Cannabis: OVG gegen neue Grenzwerte
Richter sprechen sich gegen neue Höchstwerte bei Cannabiskonsum am Steuer aus.
Veröffentlicht:MÜNSTER. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster will neuere Expertenempfehlungen für einen höheren Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr nicht umsetzen. Mit drei Urteilen folgte es einer Entscheidung des OVG Berlin. Damit können Cannabis-Konsumenten kaum noch hoffen, dass die Gerichte Empfehlungen der "Grenzwertkommission" für eine Erhöhung des Grenzwerts umsetzen.
Bislang gehen Gerichte und Behörden in Deutschland von einem Grenzwert von 1,0 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) je Milliliter Blutserum aus. Bei einer höheren Konzentration des Cannabis-Wirkstoffs wird angenommen, dass der Betroffene Droge und Autofahrten nicht ausreichend "trennen" kann und sich fahruntauglich ans Steuer setzt.
Empfehlungen für solche Werte gibt die Grenzwertkommission, eine Arbeitsgruppe medizinischer und juristischer Fachgesellschaften. Führerscheinbehörden und Gerichte waren diesen Empfehlungen bislang regelmäßig gefolgt. Im September 2015 hatte die Kommission empfohlen, den Cannabis-Grenzwert auf 3,0 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum anzuheben. Zur Begründung führten die Experten vor allem an, dass der bisherige Grenzwert auch nach mehrtägiger Cannabis-Abstinenz noch erreicht werden kann.
Dennoch war bereits das OVG Berlin-Brandenburg der neuen Empfehlung nicht gefolgt; denn der Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC markiere auch nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Schwelle zu einer möglichen Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Nun hatte das OVG Münster den damaligen Vorsitzenden der Grenzwertkommission als Zeugen gehört und stellte sich in gleich drei Urteilen ebenfalls der Empfehlung entgegen. Bei den drei klagenden Autofahrern hatten die Führerscheinbehörden in Essen und Bochum die Fahrerlaubnisse eingezogen, nachdem sie mit 1,1 bis 1,9 Nanogramm THC am Steuer erwischt worden waren.
Das OVG Münster gab den Behörden recht. Fahruntauglichkeit drohe schon bei 1,0 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum. Dass Cannabis-Konsumenten sich möglicherweise nicht darüber bewusst sind, dass dieser Grenzwert je nach Veranlagung und Konsumverhalten auch noch nach mehrtägiger Cannabis-Abstinenz erreicht werden kann, stehe der Beibehaltung des niedrigeren Grenzwerts nicht entgegen.(mwo)
OVG Nordrhein-Westfalen; Az.: 16 A 432/16, 16 A 550/16 und 16 A 551/16